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Foto: APA / AFP / Getty Images / Alex Wong

Als Merrick Garland im Fernsehen sah, wie Leichen, auch solche von Kleinkindern, aus den Trümmern des Alfred P. Murrah Building gezogen wurden, bat er seinen Chef, ihn an den Tatort zu schicken. Es war der 19. April 1995: In Oklahoma City war ein Gebäude der Bundesverwaltung von einer Bombe verwüstet worden, 168 Menschen kamen ums Leben.

Kurz darauf begann Staatsanwalt Garland, Vater zweier Töchter, die damals im Kindergartenalter waren, am Ort des Verbrechens Beweise zu sammeln. Es endete mit einem Todesurteil für den Täter Timothy McVeigh.

Hindernislauf eines Musterschülers

Zwei Jahrzehnte später ist Garland der Kandidat, der den verstorbenen Antonin Scalia im Supreme Court ersetzen soll. Barack Obama hat ihn nominiert, wobei der Präsident genau weiß, welcher Hindernislauf seinem Favoriten im Kongress bevorsteht. Während führende Republikaner auf Zeit spielen – darauf spekulierend, dass im Jänner einer der ihren ins Weiße Haus einzieht –, hat ihnen Obama einen Mann vor die Nase gesetzt, den sie eigentlich nicht ablehnen können.

An der Spitze des Bundesberufungsgerichts in der Hauptstadt Washington traf der 63-Jährige Entscheidungen, die es unmöglich machen, ihn ins linke oder rechte Fach zu sortieren. Die CIA, urteilte er etwa, verstoße gegen Gesetze, wenn sie der Presse keine Auskunft über Drohnenangriffe in Pakistan, Somalia oder im Jemen gebe. Dann urteilte er aber, die Geheimdienste bräuchten keine Fotos zu veröffentlichen, auf denen – gleichsam als Beweis – die Leiche Osama Bin Ladens zu sehen sei.

Auf das noble Büro verzichtet

Und nachdem George W. Bush Guantánamo de facto zur rechtsfreien Zone erklärt hatte, stimmte Garland zu: Guantánamo-Häftlinge, befand er im Jahr 2003, könnten in den USA nicht gegen ihre Inhaftierung klagen.

Als Obama ihn nun vorstellte, kämpfte Garland mit den Tränen, während er sich ausmalte, welchen Stolz seine Großeltern – vor den zaristischen Pogromen aus Russland geflohene Juden – in diesem Moment wohl empfinden würden. Aufgewachsen bei Chicago, studierte Garland in Harvard Jus. 1989 wurde er Staatsanwalt. Nicht nur dass Garland das gediegene Ambiente der Anwaltskanzlei Arnold & Porter gegen ein fensterloses Büro eintauschte: Er nahm auch eine 50-prozentige Kürzung seiner Bezüge in Kauf. 1997 gab ihm der US-Senat mit klarer Mehrheit grünes Licht für den Posten am Berufungsgericht, dessen Vorsitzender er inzwischen ist. (Frank Herrmann, 17.3.2016)