Nach einem erstinstanzlichen Urteil am Wiener Straflandesgericht darf man auf Facebook über die Reihenfolge von Vergasungen spekulieren, weil: "Wir sind immer noch in einem Land, wo man seine Meinung kundtun darf."

Foto: APA / Herbert Pfarrhofer

Wien – So sehen zwei der vielen Hassposter aus, also Menschen, die wutentbrannte Mails oder Postings gegen Minderheiten ins World Wide Web absetzen: Männer mittleren Alters, beide in Sneakers, Typ unauffällig – und bisher unbescholten.

Ihnen wurde am Donnerstag am Wiener Straflandesgericht wegen des Verdachts auf Verhetzung der Prozess gemacht – und zumindest eines der Urteile dürfte noch für Wirbel sorgen. Noch dazu, wo Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) den Kampf gegen "vergiftete Inhalte im Netz" aufgenommen hat – und seit Jahresbeginn die Hürden für Verhetzung gesenkt wurden. Bis zu zwei Jahre Haft stehen jetzt auf diesen Straftatbestand, wenn rund dreißig Menschen zu Gewalt aufgefordert oder zu Hass angestachelt werden – bis Ende 2015 musste es für einen Schuldspruch noch eine Gruppe von 150 Personen sein.

Mail an Spitzenpolitiker gegen "Sauasylantenströme"

Punkt 11.30 Uhr, Verhandlungssaal 310: Auf der Anklagebank sitzt Günther N., Angestellter mit einem Master in "Communication". Mitte Jänner hat er an die halbe Regierung, die koalitionären Klubchefs und Spitzenfunktionäre der FPÖ E-Mails geschrieben. "Waren Sie betrunken?", fragt Richter Stefan Apostol. N. schüttelt den Kopf.

In seinen Schreiben mit 26 Adressaten, zwischen 18.09 und 1.13 Uhr in der Früh abgeschickt, hat er die Politiker aufgefordert, etwas gegen "die kriminellen Sauasylantenströme" zu unternehmen, gegen "den Menschenmüll", der da mit daherkommt – und überhaupt gegen "die fahnenflüchtigen Schweine", die "Mohammed anbeten". Heute sagt N.: "Ich weiß, das ist kein Essay. Ich wollte der Politik sagen, dass etwas zu tun ist."

Worte wie diese wirken

Staatsanwalt Volkert Sackmann sagt in Anspielung auf den Master des Angeklagten: "Sie wissen, wie man mit Worten umgeht – und was Worte bewirken?" Der Angeklagte redet sich darauf hinaus, dass er auf "Online-Tools" spezialisiert sei. Dass er da von dem Afghanen gehört habe, der in der Wiener Praterallee eine junge Frau vergewaltigt hat. Der Ankläger sagt: "Ich sehe keine Einsicht."

Der Richter vergattert N. zu 800 Euro Strafe zu 200 Tagessätzen – oder einer Ersatzfreiheitsstrafe von hundert Tagen, denn: "Sie wissen, was Sie schreiben – und wie es wirkt, ist erwiesen." N. habe "Asylanten", aber auch "Moslems" mit "Vergewaltigern" gleichgesetzt. N. nimmt das Urteil an. Der Staatsanwalt will Bedenkzeit, ob er das Urteil, daher nicht rechtskräftig, akzeptiert.

Lachender Hitler

12.15 Uhr, im selben Saal: Platz auf der Anklagebank nimmt jetzt Herr K., Lagerarbeiter bei einem ostentativ familiären Möbelriesen. Er hat einem Bekannten auf Facebook, der 1.141 Freunde und ein Bild mit syrischen Asylwerbern hochgeladen hat, die sich um ihre Kinder zu Hause sorgen, gepostet: "Warum seid Ihr feigen Schweine dann abgehauen?" Und: "Sollens einmal hinfahren und helfen, dann können sie alle sprengen." Als der Facebook-Bekannte auch noch das Bild eines afrikanisches Kindes in Traiskirchen gepostet hat, antwortet K. mit dem Konterfei des lachenden Adolf Hitler – und dem Text: "Du bist lustig, Dich vergas' ich zuletzt." Er habe "nichts gegen Ausländer", versichert K. nun, er arbeite mit 68 Menschen, "fast alle mit ausländischem Namen".

Staatsanwalt empört, Richter spricht von "pseudowitzig"

Der Staatsanwalt belehrt den Mann, wie sich wohl ein Mensch mit dunkler Hautfarbe fühle, der so etwas liest. Dass er vor diesem Kind vergast gehört? K. hat sich dabei nichts Böses gedacht, aber persönlichen "Frust" gehabt.

Richter Apostol will in all dem "kein Aufreizen zu Gewalt" sehen. Die Hitler-Aktion ist für ihn "pseudolustig, ungeschickt", "nicht intelligent". In "dubio pro reo" fällt er einen Freispruch. Denn: "Wir sind immer noch in einem Land, wo man seine Meinung kundtun darf." Der Staatsanwalt legt umgehend "volle Berufung" ein. (Nina Weißensteiner, 17.3.2016)