Am Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) spricht Rosa Brooks über die Zukunft des Krieges.

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Vortrag vom Montag, 14. März: "The Future of War I – The Transformation of War".

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Vortrag vom Dienstag, 15. März: "The Future of War II – War Bursts its Boundaries: Counting the Costs".

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Vortrag vom Donnerstag, 17.März: "The Future of War III – The Future of War and the Future of Law"

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STANDARD: Es gibt kaum noch traditionelle Schlachtfelder – und Sie kritisieren das. Was soll daran eigentlich schlecht sein?

Rosa Brooks: Das ist nicht grundsätzlich schlecht. Aber es ist ein Problem, wenn alle Regeln, die wir haben, um Konflikte zu regulieren, darauf beruhen, dass wir unterscheiden können, wann und wo Krieg oder kein Krieg ist. Es ist ein Problem, wenn Gesetze und Politik nicht mehr mit der Art im Einklang sind, wie Kriege geführt werden. Denn dann können Regierungen das ausnützen oder Fehler machen. Das erlaubt, dass schlimme Dinge passieren.

STANDARD: Wie unterscheiden sich die neuen Methoden etwa von Unabhängigkeitsbewegungen?

Brooks: Das ist eine komplizierte Frage. Wenn man in ein paar Hundert Jahren zurückschaut, könnte das, was wir heute sehen, die historische Anomalie sein; dass die Menschen den Versuch, Konflikte Regeln folgen zu lassen, komisch finden. Für den Großteil der Geschichte war die Trennlinie zwischen Staaten, Banditen, Warlords, Armeen und Firmen ziemlich unklar. Die Welt bewegt sich zurück zur Unordnung.

STANDARD: Über "neue Kriege" wird schon lang geschrieben. Wie erklären Sie, dass sie sich gerade jetzt so ausbreiten?

Brooks: Teil davon ist die US-Dominanz in traditioneller Kriegsführung. Saddam Hussein hat 1991 versucht, konventionelles Militär gegen die USA einzusetzen, und dieses wurde im Grunde ausradiert. Alle anderen haben daraus die Lehren gezogen.

STANDARD: Welche sind das?

Brooks: Man muss klug sein und Schwächen suchen. Vor allem, weil wir in einer Welt leben, in der alle Staaten zumindest so tun, als wären sie Regeln verpflichtet. Das heißt, wenn man gegen sie verstoßen will, kann man das nicht offen tun. Und dann nutzt man Cyberangriffe, kleine grüne Männchen, politische Propaganda.

STANDARD: Ist das nicht eine Chance, größere Kriege zu vermeiden?

Brooks: Zum Teil ja. Zweideutigkeiten können Konflikte minimieren. Nach den chinesischen Cyberattacken auf US-Systeme waren die USA bemüht, sie nicht als Cyberangriffe zu bezeichnen. Wer will schon Krieg gegen China? Zweideutige Angriffe sind zwar nicht großartig – aber manchmal besser als die Alternative.

STANDARD: Glauben Sie, dass Drohnenattacken vor 150 Jahren weniger Aufregung erzeugt hätten?

Brooks: Ja. Wenn vor 150 Jahren jemand gesagt hätte: "Die Russen töten Leute in anderen Staaten", wäre die Reaktion gewesen: "Klar, was sollten sie sonst machen?" Das war vor der Uno-Charta. Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, die Möglichkeit, Staaten zur Rechenschaft zu ziehen, sind neu.

STANDARD: Nun sieht etwa Russland, dass es Erfolg versprechen kann, Konventionen zu ignorieren. Wie kann man das vermeiden?

Brooks: Ich weiß es nicht. Ich glaube, wir sind in einer ähnlichen Situation wie in den 1930er-Jahren. Die Frage ist: Wie können wir Institutionen für Kriegszeiten erdenken, die Akteure davon abhalten, ihre Macht zu missbrauchen?

STANDARD: Haben Sie Beispiele?

Brooks: Zu Drohnenattacken geben uns rechtliche Rahmenbedingungen keine klaren Antworten. Die US-Regierung sagt: Wir sind in einem "bewaffneten Konflikt" mit Al-Kaida. Ihre Verbündeten sind also "feindliche Kämpfer im bewaffneten Konflikt". Ergo: Die US-Drohnenattacken sind legal. Wenn die USA aber falschliegen, wenn es kein "bewaffneter Konflikt" ist oder die Leute keine "Kämpfer" – dann sind die USA Mörder. Manchmal werden Ziele Wochen, Monate, gar Jahre im Voraus definiert. Da könnte es durchaus gerichtliche Prüfungen geben.

STANDARD: Hat das Verhalten mächtiger Staaten wirklich Auswirkungen auf andere?

Brooks: Ich glaube nicht, dass nur ein paar Staaten mit gutem Beispiel voranschreiten müssen, damit der IS die Waffen fallen lässt. Wenn sich aber mächtige Akteure auch unethisch oder illegal verhalten, inspiriert das andere dazu, den Regeln nicht zu folgen.

STANDARD: Sind neue, globale Organe und Gesetze nötig?

Brooks: Die Untergrabung der Souveränität ist gefährlich. Staaten bekommen ohnehin immer mehr Konkurrenz von nichtstaatlichen Akteuren. Aber langfristig braucht man ein mächtiges globales Regierungssystem mit einem Militär. Dieses müsste auf einer gerechten Vertretung staatlicher und nichtstaatlicher Akteure aufbauen.

STANDARD: Ist Ihr Eindruck, dass jene, die da etwas tun könnten ...

Brooks: Absolut nicht, das wird nicht passieren! (Manuel Escher, Anna Sawerthal, 18.3.2016)