In Paris gibt es eines, in El Paso, Ho-Chi-Minh-Stadt und St. Pölten auch, und wahrscheinlich in tausend anderen Orten auf der Welt. Café Central ist ein Allerweltsname für ein Kaffeehaus, doch das in Wien versteht sich als städtische Institution. Das ist keine Floskel, "Café Central – eine Wiener Institution" steht als Überschrift auf der Website.

Vor genau 140 Jahren eröffnete ein Brüderpaar namens Pach, spätere Besitzer des Schweizerhauses im Prater und der Sofiensäle, das Central. Es war in jenem 1860 fertiggestellten Gebäude an der Ecke Herrengasse und Strauchgasse untergebracht, das man heute Palais Ferstel nennt. Architekt Heinrich von Ferstel, dessen Vorstellungskraft auch die Votivkirche und die Hauptuniversität entsprangen, sollte den Bau des Nationalbank- und Börsengebäudes "bei strenger Beachtung von Ökonomie und bei Vermeidung eines wertlosen Luxus mit Solidität und künstlerischer sowie technischer Vollendung" bewerkstelligen. Zum Fin de Siècle gaben sich nicht mehr Banker, sondern die großen Künstler und Gelehrten der Wiener Moderne Ferstels Türschnalle in die Hand. 250 Zeitungen in 22 Sprachen waren täglich ausgelegt.

Das tägliche Quantum Centralin

Die Schriftsteller Arthur Schnitzler, Franz Kafka, Hugo von Hofmannsthal, Robert Musil, Stefan Zweig und Alfred Polgar, der die Klientel als "Leute mit heftiger Menschenfeindlichkeit" beschrieb, waren Stammgäste, sogenannte "Centralisten". Architekt Adolf Loos und Psychoanalytiker Sigmund Freud ebenso. Über Peter Altenberg, der heute als Pappmachéfigur im Lokal sitzt, sagte man, wenn er nicht im Central ist, dann ist er auf dem Weg dorthin. Der Literat, der stets das Central als seine Wohnadresse angegeben hatte, sprach vom "täglichen Quantum Centralin, das das Nervensystem gebieterisch fordert". Leo Trotzki hat hier regelmäßig Schach gespielt und vielleicht die Oktoberrevolution vorbereitet. Historiker beteuern, dass Anfang des 20. Jahrhunderts selbst Adolf Hitler und Josef Stalin Kaffee im Central bestellten.

1925 ließ man das Kaffeehaus groß renovieren, und doch war sein vorläufiger Niedergang nicht mehr aufzuhalten. 1943 schloss es, nachdem die Säulenhalle mit ihrem imposanten Kreuzgewölbe teilweise zerstört worden war. Nach dem Krieg wurde der Festhsaal im Palais Ferstel erst ganz funktional als Lagerraum verwendet und dann sogar als Basketballcourt –Franz Vranitzky spielte dort und auch STANDARD-Fotograf Matthias Cremer.

Die Revitalisierung zum Kaffeehaus ließ bis 1982 auf sich warten, und selbst da war es als "Café im Arkadenhof" nur im früheren Wintergarten untergebracht. Dafür wurde es zur Fernsehkulisse: Unter der Leitung Ernst Wolfram Marboes diskutierten Prominente in der ORF-Sendung "Café Central" über Kulturbelange.

Pharisäer und Advokaat

Zurück in die Säulenhalle kam das Café 1986 und bot fortan neben hausgemachten Patisserien bei Einheimischen eher unbekannte Kaffeevarianten wie Pharisäer und Advokaat feil. Nicht zuletzt beflügelt vom Glamour der großen Leinwand – John Malkovich drehte 2005 für "Klimt" im Central –, entwickelte sich das Haus in den vergangenen Jahren zum Touristenmagnet. Rund 70 Prozent der jährlich 480.000 Gäste sind Besucher aus dem In- und Ausland.

Seit 2001 steht das Café Central im Besitz einer Stiftung des im Vorjahr verstorbenen Karl Wlaschek, seit 2011 wird es vom Verkehrsbüro-Tochterunternehmen Palais Events verwaltet und betrieben. Im selben Jahr wurde es als Teil der Wiener Kaffeehauskultur in die nationale Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco aufgenommen. Das hat es dem St. Pöltner und jedem anderen Central voraus. (Michael Matzenberger, 17.3.2016)

Kaffeehausszene um 1900.

Foto: Palais Events

Außenansicht, 1900.

Foto: Ledermann, Postkartenverlag / ÖNB-Bildarchiv

Peter Altenberg im Central, 1907.

Foto: APA/HISTORISCHES MUSEUM DER STADT WIEN

"Centralist" und Literat Hugo von Hofmannsthal, 1910.

Foto: ÖNB-Bildarchiv

Großer Saal im Jahr 1926.

Foto: Palais Events

Café Central, 1935.

Foto: Rübelt Lothar / ÖNB-Bildarchiv

Arkadenhof, 1980.

Foto: Weber, Harry / ÖNB-Bildarchiv

Aufnahme während Modernisierungsarbeiten im Jahr 2013.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Heutiger Zustand. Rechts im Bild: Peter Altenberg als Pappmachéfigur.

Foto: Palais Events