Karl Edlbauer und Daniel Laiminger von Jobswipr in der Start-up-Sendung.

Foto: Puls4/ Bernhard Eder

Investor Michael Altrichter

Foto: Puls4/ Bernhard Eder

Die Wiener Start-up-Gründer Karl Edlbauer und Daniel Laiminger von Jobswipr haben bei der Start-up-Sendung "2 Minuten 2 Millionen" auf Puls 4 das bisher größte Investment erhalten. 430.000 Euro TV-Media-Volumen kommen von Sevenventures Austria, eine Million Euro Cash steuert Investor Michael Altrichter bei. Der WebStandard hat mit Edlbauer und Altrichter darüber gesprochen.

STANDARD: Herr Edlbauer, Ihre App wird als das Tinder der Jobsuche bezeichnet – können Sie kurz erklären, was damit gemeint ist?

Edlbauer: Mit Tinder für Jobs ist bei uns die Navigation durch die Jobs gemeint. Durch Wischen nach links kann man Jobs verwerfen und durch Wischen nach rechts speichern. Vor der App-Entwicklung haben wir viel recherchiert und mit Jobsuchenden gesprochen und gemerkt, dass diese Navigation am Smartphone ganz angenehm funktioniert, weil man sehr schnell eine Übersicht bekommen kann, welche Jobs es am Markt gibt.

STANDARD: Sie haben zuerst die App Jobswipr gegründet, dann die App Hokn und nun beide zusammengeführt.

Edlbauer: Wir sind Mitte letzten Jahres mit Jobswipr gestartet. Dabei spezialisierten wir uns auf Praktika und Einstiegsjobs für Studenten und Absolventen. Das war auch unsere eigene Zielgruppe, weil wir selber gerade am Ende des Studiums waren. Wir haben dann als Wochenendprojekt Hokn gestartet, mit einem Fokus auf Gastronomie, Handwerk, Gewerbe und Handel. Wir konnten in den letzten Wochen und Monaten mit beiden Apps sehr stark wachsen und tausende Bewerbungen verschicken. Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, dass wir die einfache Jobsuche und Bewerbung für den gesamten Markt anbieten wollen und haben die Produkte mit Hokify zusammen geführt.

STANDARD: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Job-App zu entwickeln? Berufs-Apps und -Portale gibt es immerhin sehr viele.

Edlbauer: Daniel Laiminger und ich waren kurz vor Studierende selbst auf Jobsuche und haben gemerkt, dass der Jobsuchprozess teilweise sehr altmodisch ist. Oft ist es so, wenn man sich wo bewirbt, ladet man den Lebenslauf hoch, dann muss man nochmals per Copy-and-Paste die gleichen Daten hochladen. Und mobil geht sowieso gar nichts. Da war für uns die Erkenntnis: Okay, wir machen eigentlich alles mobil. Wir haben Studienkollegen gefragt: "Wie sucht ihr eigentlich Jobs"? Da war die Antwort immer "am Handy". Und könnt ihr euch da bewerben? Nein, eben nicht. Das war so für uns der erste Gedanke – es will eigentlich jeder mobil Jobs suchen und sich bewerben, es gibt aber nicht wirklich eine Möglichkeit, wo man das tun kann.

STANDARD: Haben Sie einen Überblick, wie viele Jobangebote es derzeit gibt und wie viele Jobs Sie bereits erfolgreich vermittelt haben?

Edlbauer: Jobs gibt es zwischen 10.000 und 15.000. Zu den Vermittlungen kann ich so viel sagen, dass bereits mehr als 10.000 Bewerbungen über uns verschickt wurden. Wir haben sehr viel individuelles Feedback von Unternehmen bekommen, die wiederkommen und uns mitteilen, dass Hokify sehr gut funktioniert. Jedoch gibt es keine genaue Anzahl der erfolgreichen Vermittlungen, weil der letzte Schritt mit dem persönlichen Gespräch nicht über unsere App abgehandelt wird.

STANDARD: Das heißt, Sie sehen nicht, ob eine Bewerbung erfolgreich war?

Edlbauer: Wir sehen sehr stark, ob die Bewerbung erfolgreich ist, wenn die Unternehmen auf uns zukommen und sagen, sie wollen ihre Stellen wieder bei uns schalten. Allgemein haben wir eine sehr hohe Rückmeldungsquote. Das heißt, bei uns bekommen fast alle Kandidaten eine Antwort vom Unternehmen. Das ist im Vergleich zu vielen anderen Portalen nicht der Fall. Das ist für uns extrem wichtig, weil der Grundgedanke von uns eben auch war, dass die ganze Kommunikation besser funktioniert.

STANDARD: Sie haben nun in der Puls-4-Sendung "2 Minuten 2 Millionen" 1,4 Millionen Euro bekommen. Was sind Ihre nächsten Schritte?

Edlbauer: Mit dem Investment wollen wir so schnell wie möglich wachsen und nach Deutschland expandieren. Wir wissen, in Österreich funktioniert das Konzept. Wir haben schon einige Verträge mit deutschen Unternehmen unterzeichnet und wollen im nächsten Schritt nach Deutschland. Ich denke, dafür ist das Investment perfekt.

STANDARD: In der IT-Branche wird oft kritisiert, dass es zu wenige Frauen gibt – in Ihrem Team arbeiten fünf Männer und eine Frau. Haben Sie eine Erklärung für diesen Überhang?

Edlbauer: Das ist nicht mehr korrekt, es sind schon zwei Frauen.

Altrichter: Beim derzeit noch kleinen Hokify-Team sind zwei ja schon durchaus viel. Normalerweise sind bei Start-ups leider immer noch weniger Frauen. Und hier sind schon überdurchschnittlich viele Frauen eingestellt.

Edlbauer: So ist es, genau. Mit einer Teilzeitkraft sind wir sogar bei 2,5. Und ich glaube, da sind wir weit über der Start-up-Quote und sind sehr glücklich darüber.

STANDARD: Der Linzer Fitness-App-Entwickler Runtastic ist 2015 von Adidas gekauft worden – ist das ein Vorbild für Sie? Streben Sie an, von einem großen Unternehmen gekauft zu werden oder wollen Sie eigenständig bleiben?

Edlbauer: Ich glaube, es ist die falsche Herangehensweise, wenn man den Exit von Anfang an anstrebt. Natürlich ist es immer eine Option, wenn man ein Start-up gründet, doch für uns ist das Ziel ein ganz anderes. Wir wollen ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen aufbauen. Ich bin davon überzeugt, die Gründer von Runtastic haben ihren Exit auch nicht von Anfang an geplant. Unser Business-Plan geht über zahlreiche Jahre hinaus.

STANDARD: In Österreich wird oft bemängelt, dass es keine Kultur des Scheiterns gibt, anders als etwa in den USA. Start-ups würden zu schnell aufgeben. Wie ist das bei ihnen? Wie viele Apps haben Sie vorher schon entwickelt, aus denen nichts wurde?

Edlbauer: Ich glaube, es geht einfach darum, dass man so viele Sachen wie möglich ausprobiert und sich dabei persönlich weiterentwickelt. Daniel Laiminger und ich haben vor Hokify zum Beispiel bei einem Karriereportal für KMUs gearbeitet. Simon Tretter und ich haben es mit unserer eigenen Version von "Uber" versucht, leider war Uber dann aber doch etwas schneller. Allgemein finde ich es enorm wichtig, seine eigenen Ideen auszuprobieren und umzusetzen.Wenn man dabei scheitert, kann man sicherlich extrem viel lernen und die Fehler beim nächsten Versuch nicht mehr machen.

STANDARD: Was meinen Sie damit, dass Sie es mit einem Uber probiert haben?

Edlbauer: Herr Tretter und ich haben während unseres Studiums einmal probiert eine Taxi-Pooling-App zu entwickeln. Wir haben einen sehr spannenden Algorithmus entwickelt und sind nach wie vor davon überzeugt, dass er besser ist als der von Uber. Aber leider war bei uns auch während des Studiums der Fokus noch nicht so stark da und wir haben dann in eine andere Richtung entwickelt.

STANDARD: Wie einfach oder kompliziert ist es denn in Österreich ein Start-up zu gründen?

Altrichter: Ein Vorteil ist die tolle Förderlandschaft. Wenn man es einmal geschafft hat, ein Unternehmen zu gründen und idealerweise auch schon Investoren an Bord hat, dann hat man auch eine relativ hohe Chance, eine Förderung zu bekommen. Keines meiner 25 Investments ist ohne Förderung ausgegangen. Allerdings muss endlich die Gründung vereinfacht werden, beispielsweise durch einen Verzicht der Notariatspflicht in den ersten Jahren. Der große Nachteil in Österreich ist, wenn es an die Expansionsfinanzierung geht. Ein gutes Start-up kriegt relativ leicht Hunderttausende Euro bis zu einer Million. Größere Anschlussfinanzierungen aufzustellen ist in Österreich beinahe aussichtslos, da gibt es leider zu wenig Risikobereitschaft.

STANDARD: Herr Altrichter, was sind für Sie die zentralen Kriterien, weshalb ein Start-up für ein Investment in Frage kommt?

Altrichter: Zunächst muss die Idee zündend und innovativ sein. Das Wichtigste ist allerdings das Gründerteam. Der Investor muss überzeugt sein, dass das Team umsetzen kann und hält, was es verspricht, die Chemie muss stimmen. Das ist das Allerwichtigste. Natürlich schaut man sich Markt, Produkt, Konkurrenz und den Finanzplan an, aber wenn man in Wahrheit ein gutes Team hat, hat man alles im Griff.

STANDARD: Viele Start-ups holen sich Geld über Crowdfunding – war das für Jobswipr kein Thema?

Altrichter: Crowdfunding ist immer eine Option. Ob das zum jeweiligen Geschäftsmodell und Reifegrad passt, muss man sich überlegen.

Edlbauer: Für uns war das im ersten Schritt nicht wirklich eine Option, weil Crowdfunding noch eher für Hardwareprodukte ist. Dadurch, dass sich das jetzt so hervorragend ergeben hat, ist das für uns bisher nicht in Frage gekommen. Und ich würde auch sagen, in Zukunft ist es offen, wie sich das weiterentwickelt.

STANDARD: Welche Tipps würden Sie Start-up-Gründern mit auf den Weg geben?

Altrichter: Ein wichtiges Thema ist, immer die richtige Geschwindigkeit zu wählen. Die richtige Geschwindigkeit heißt nicht unbedingt sofort Vollgas. Manche Start-ups wollen sich selbst überholen in ihrem Wachstum, haben das Produkt oder ihr Kundensegment noch gar nicht in ihrem Heimmarkt gefunden und wollen schon expandieren. So etwas endet in der Regel in einem Desaster. Natürlich muss man Gas geben und viel arbeiten, aber das investierte Geld muss im richtigen Maß eingesetzt werden. Und bei manchen Unternehmen ist es so, dass sie einfach zu langsam unterwegs sind. Die sitzen zu lange auf der Perfektionierung ihres Produktes und vergessen damit auf den Markt zu gehen.

Edlbauer: Für mich ist ganz wichtig, dass man die eigenen Ideen einfach wirklich ausprobiert. Es gibt viele Leute, die Ideen haben, aber leider geht es nicht über die Ideenphase hinaus, weil nichts umgesetzt wird. Man soll seine Idee so schnell wie möglich in die Praxis umsetzen und schauen, ob es einen Markt gibt, bzw. ob jemand für das Produkt zahlen würde. So überzeugt man auch am besten frühe Mitarbeiter, Investoren und Leute, die einen unterstützen.

Altrichter: Noch ein wichtiger Punkt ist, dass das Start-up sich den richtigen Investor aussucht. Viele Founder machen den Fehler, dass sie nur das Geld suchen. Aber es ist ganz wichtig, dass der Investor zum Founder passt und umgekehrt. Ein guter Mentor oder Angel Investor ist für das Schicksal eines Start-up oft entscheidend. Founder nehmen oft den Erstbesten, der mit Geld winkt – nicht wissend, was sie sich damit einhandeln.

Edlbauer: In unserem Bereich war es uns wirklich wichtig, dass wir mit Leuten zusammenarbeiten, die uns strategisch voranbringen wollen. Die ein Wissen vom Markt haben – sei es im IT-Bereich oder im Recruiting-Bereich.

STANDARD: Die Beziehung zwischen Investor und Start-up ist also eine längerfristige …

Edlbauer: Und eine sehr intensive.

STANDARD: Wie viel Mitspracherecht hat der Investor?

Altrichter: Das ist unterschiedlich. Man unterscheidet zwischen einem Lead-Investor und einem normalen Investor. Der Lead-Investor hat schon mehr Mitspracherecht, was auch gut ist. Er unterstützt maßgeblich Folgefinanzierungen und Exits und auch bei strategischen Entscheidungen sollte der Investor eingebunden werden. Was aber natürlich auch auf Gegenseitigkeit beruht. Ein Business Angel will im Gegensatz zu so manchem Finanzhai eben nicht die Kontrolle im Unternehmen, diese muss klar bei den Foundern bleiben. Natürlich müssen einige Punkte im Vorfeld geklärt werden. Vor allem, was passiert, wenn sich das Founder-Team auflöst. Auch muss klar und ehrlich kommuniziert werden, ob und wie rasch ein Exit angestrebt wird – das muss klar auf den Tisch, bevor man einsteigt. Will man größer international wachsen, bleibt man auf einem Markt – das sind Dinge, die muss man sich sehr genau überlegen und die muss man besprechen.

STANDARD: Für Unternehmen gibt es dann aber auch das Risiko, an einen Investor zu geraten, der zu viel mitmischen will.

Altrichter: Von einem Founder mit Weitblick wird ja gerade gewünscht, dass sich ein erfahrener Business Angel einbringt. Viele würden gerne die Zusammenarbeit intensivieren, als einen Investor auszusperren. Was ich vorher sagte: die Chemie muss stimmen.

Edlbauer: Wir sind sehr froh, Investoren gefunden zu haben, die sich einbringen und uns mit ihrer Erfahrung in diversen Bereichen unterstützen. Dennoch ist uns auch enorm wichtig, dass wir selbstständig bleiben und wichtige Entscheidungen selbst treffen können.

STANDARD: Wie kommen Start-ups zu Investoren?

Edlbauer: Indem man mit seiner Idee so offen wie möglich umgeht und die Idee so vielen Leuten wie möglich erzählt, sei es bei Veranstaltungen, bei Freunden oder bei der Familie. Nur so kann man ein gewisses Netzwerk aufbauen und für Investoren interessant werden. Mittlerweile gibt es auch einige Veranstaltungen, die sich perfekt eignen, um Investoren zu finden. Wir waren zum Beispiel bei der Entrepreneurship Avenue, die uns nochmals einen ordentlichen zusätzlichen Push gegeben hat.

Altrichter: Bei der Puls-4-Start-up-Show bewerben sich 600 Unternehmen, wobei nur die 50 besten weiterkommen und nicht alle ausgestrahlt werden. Das ist natürlich ein harter Konkurrenzkampf. Mit einem Satz gesagt: Gute Start-ups finden mittlerweile leicht einen Investor in Österreich. Wenn Sie in der Start-up-Szene herumfragen, gibt es wahrscheinlich gegenteilige Meinungen, weil viele auf der Strecke bleiben. Das liegt zum Teil daran, dass das ganze Paket nicht ganz rund ist, vielleicht der Founder nicht passend ist oder das Produkt nicht ideal ist für einen Investor. Aber die wirklich guten Teams mit einer tollen Idee finden in Österreich leicht einen Angel Investor und können somit ihre erste Phase finanzieren. Aber wenn es zur Expansion geht, schaut es in Österreich anders aus. (Birgit Riegler, 17.3.2016)