Bild nicht mehr verfügbar.

Geht es nach der Tiroler Landesregierung, wird es für Güter wie Abfälle, Rundholz, Schrott, Eisenwaren, oder Keramik eng auf der Inntalautobahn.

Foto: dpa/Autobahnpolizei Holzkirchen

Innsbruck/Wien – Nach zwei gescheiterten Versuchen nimmt Tirol erneut Anlauf für ein teilweises Fahrverbot im Transitverkehr. Im Herbst soll erneut ein sektorales Fahrverbot verhängt werden. Schritt für Schritt soll die Reduktion des Lkw-Verkehrs passieren, erklärte Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Dienstag.

Ab Sommer, so hat es die schwarz-grüne Landesregierung beschlossen, wird stufenweise ein sektorales Lkw-Fahrverbot eingeführt. Konkret sollen Lkw der "Euroklasse zwei solo", also solche ohne Anhänger, und dann Ende 2017 Lkw der "Euroklasse drei" verboten werden. Bis Juli 2018 möchte Platter das gesamte sektorale Fahrverbot verordnen – Lkw, die unverderbliche Güter wie etwa Müll und Schrott transportieren, müssten ihre Güter dann auf die Schiene verlagern.

Ausnahmen gibt es zahlreiche: Nicht betroffen sind bis 2019 etwa Solo-Lkw Euro-3 für den regionalen Kurzstrecken- und Verteilerverkehr. Zudem werden Euro-4-Lkw bis April 2018 für Holz oder Aushub und bis Juli 2018 für Erz oder Stahl ausgenommen.

Bessere Luft statt Tempo

Ob es jedoch überhaupt so weit kommt, ist fraglich. Tirol scheiterte bereits zwei Mal an der Einführung des "Sektoralen". 2011 hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) das Tiroler Lkw-Fahrverbot zuletzt gekippt und verlangt, dass zuerst "gelindere" Maßnahmen ergriffen werden – etwa Tempo 100 auch für Pkw. Diese Geschwindigkeitsbeschränkung hat die Regierung im Herbst 2014 auf rund zwei Dritteln des Tiroler Autobahnnetzes eingeführt. Laut einem vom Land in Auftrag gegebenen Monitoring verbesserte sich daraufhin die Luftqualität.

Im Verbot der Euro-2 und Euro-3-Lkw bereits vor Verhängung des gesamten sektoralen Fahrverbots sieht die Landesregierung ein Entgegenkommen zum strikten Kurs der EU-Kommission. Mit einem Vertragsverletzungsverfahren wird dennoch gerechnet – Platter und seine Vize, Verkehrslandesrätin Ingrid Felipe (Grüne), hoffen jedoch diesmal auf eine positive Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. "Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht", ist Platter überzeugt. Von einer Einführung von Tempo 80 für Pkw – wie vonseiten der EU vorgeschlagen – hält er nichts. "Autobahnen sind ja zum Fahren da", sagt er.

Negative Signale

Verkehrsprofessor Sebastian Kummer von der Wirtschaftsuni Wien, der sektorale Fahrverbote grundsätzlich für unglückliche Signale hält, sieht freilich genau in den Ausnahmen beim Verbot von Euro-3-Lkw die Achillesferse. Lkw dieser Schadstoffklasse seien im Transitverkehr kaum mehr im Einsatz, sondern nur mehr in Nahverkehr und Großhandel. Das angekündigte Verbot bringe daher wenig, schaffe aber unzulässige Vorteile für den lokalen Verkehr.

Tempo 80 statt Verbot

Der auf Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwalt (BPV Hügel) und Privatdozent an der Uni Wien, Christian Schneider, ist ebenfalls skeptisch: "Gemäß EuGH-Judikatur sind geeignete, kohärente und systematische Maßnahmen zur Luftgüteverbesserung zu ergreifen, die den freien Warenverkehr am wenigsten beschränken." Die Frage sei daher, "ob Tempo 80 nicht das gelindere Mittel wäre als ein sektorales Fahrverbot". Auch ein Verbot von Euro-3-Lkw dürfte dem nicht genügen, weil der lokale Verkehr auf der Landstraße mehr Schadstoffe verursache. Kritisch sieht Schneider insbesondere geplante Umrüstungsprämien für alte Lkw österreichischer Frächter. Sie seien beihilferechtlich problematisch.

Schutz des Naturerbes

Die EU-Kommission sieht ebenfalls das Risiko einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Freizügigkeit bei der Beförderung von Gütern. "Gemeinsam mit den österreichischen Behörden wollen wir nun eine geeignete Lösung finden, um Tirols Naturerbe zu schützen", teilte ein Sprecher der Kommission am Dienstag via Aussendung mit.

Vor allem würden noch mögliche Optionen zur Reduktion der Luftverschmutzung ohne Einschränkung der Freizügigkeit zur Verfügung stehen. Beispielsweise eine weitere Geschwindigkeitsbeschränkung für leichte Fahrzeuge auf der Inntalautobahn (A12) oder stärkere Beschränkungen für besonders zur Luftverschmutzung beitragende Lastwagen.

"Wir haben den österreichischen Behörden unsere Position mitgeteilt. Diese deckt sich mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union", hieß es seitens des Kommissionssprechers. Die EU-Kommission würde Österreich voll und ganz beim im EU-Recht verankerten Ziel unterstützen, die Luftqualität im unteren Inntal zu verbessern. (mika; ung, 16.3.2016)