Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz prangert die Zustände in der Kinder- und Jugenpsychiatrie an.

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Wien – Patienten- und Volksanwaltschaft schlagen Alarm: Weil es für psychisch erkrankte Kinder in Wien nicht genügend altersgerechte Kapazitäten gibt, müssen durchschnittlich täglich zwei Jugendliche unter 17 Jahren zwangsweise in der Erwachsenenpsychiatrie untergebracht werden.

Die Lage würde sich derzeit drastisch verschlimmern, weil immer mehr Minderjährige in Österreich eine spezialisierte kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung benötigen. Diese stehe aber flächendeckend nicht zur Verfügung. Die Bettenmessziffer in Wien liegt für die Kinder- und Jugendpsychiatrie bei 128 bis 208 Plätzen. Aktuell gibt es aber nur 56 Unterbringungs- und 20 Tagesklinik-Plätze. Die Auswirkungen dieses Status Quo: 191 Kinder mussten im Vorjahr wegen Platzmangels auf Erwachsenenstationen untergebracht werden. Die jüngsten Patienten waren zwölf und 13 Jahre alt. "Das ist fachlich, menschlich und menschenrechtlich nicht vertretbar", sagte Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz.

Volksanwalt spricht von "Notstand"

Für Pilz müsse die Personalsituation in diesem Bereich entschärft werden. "In Wien gibt es magere sechs Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiater", sagte sie. Dass Kinder in Erwachsenenanstalten untergebracht werden, sei rechtswidrig, sagte Bernhard Rappert vom Vertretungsnetz. Experten würden auf baldige dementsprechende Gerichtsurteile warten. Volksanwalt Günther Kräuter sprach von einem "Notstand".

WGKK nimmt Ärztekammer in die Pflicht

Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) wies die Kritik von Pilz zurück: So gebe es neben den sechs Kassenstellen für Kinder- und Jugendpsychiater Verträge mit dem Verein "die Boje", dem SOS-Kinderdorf, dem Institut für Erziehungshilfe und dem Psychosozialen Dienst. Aktuell stünden "14 WGKK-finanzierte Stellen in diesem Bereich zur Verfügung". Um eine Verbesserung zu erreichen, nimmt die WGKK die Ärztekammer in die Pflicht: Entsprechende Ärzte würden fehlen.

KAV: Bettenanzahl wird von 56 auf 95 erhöht

Die Wiener ÖVP-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec sagte, dass die Stadt den Ausbau "verdrängt und aufgeschoben" habe. Die SPÖ verwies darauf, dass der Krankenanstaltenverbund (Kav) die Bettenanzahl im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie bis 2018 von 56 auf 95 Betten erhöhen werde. (krud, APA, 15.3.2016)