Chefdirigent Mariss Jansons im Wiener Musikverein.

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Wien – Keine Pause, keine Zugabe: Beides einte die zwei Konzerte beim Gastspiel des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks unter seinem Chefdirigenten Mariss Jansons. Die Spannung sollte den ganzen Abend nicht nachlassen: Das dürfte wohl auch die Intention beim zweiten Konzert mit Dmitri Schostakowitschs 7. Symphonie gewesen sein – und war es jedenfalls beim ersten Termin mit Musik von Gustav Mahler und Ludwig van Beethoven, vielmehr mit Beethoven durch die Brille Mahlers, wurde doch die Coriolan-Ouvertüre in dessen Version (mit Retuschen in der Orchestrierung) gegeben.

Vermutlich hatte die riesige Orchesterbesetzung jedoch eine ähnlich große Wirkung wie Mahlers Adaptionen in der Partitur: Allein sie machte bereits einen wesentlichen Unterschied zu inzwischen gewohnten Besetzungsgrößen aus. Ansonsten ließ der packende Zugriff von Dirigent und Orchester kaum einen Zweifel aufkommen, dass diese Variante zumindest eine mögliche Aufführungsoption ist, gerade bei einem so pathosdurchpulsten Stück.

Gewiss wirkte der Klangapparat allein durch die Fülle schon ausgesprochen wuchtig, doch deckt sich dies zum einen recht genau mit dem Fortissimo-Gepräge der Ouvertüre und gelang es zum anderen, jede Gefahr der Grobschlächtigkeit hintanzuhalten. Stattdessen blieb das Orchester stets biegsam, glänzte mit Kraft, aber ohne Brutalität.

Auch bei Mahlers 5. Symphonie überwog das Staunenswerte mögliche Einwände: Viel zu selten gelingt in der internationalen Orchesterlandschaft eine solche Verbindung von Energie und Zurückhaltung, Strahlkraft und Geschmack – sowie ein derart feines Gespür für Idiomatik, das beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks gerade für Mahler ungeheuer ausgeprägt ist. Zusammen mit der drängenden Intensität von Jansons ist ein unausgesetztes Glühen damit garantiert.

Außerdem entstand eine selten herbe Schönheit, die im langsamen Satz – dem ansonsten vielfach verhunzten, trivialisierten Adagietto – besonders eindringlich zum Vorschein kam. Hier stimmte der Tonfall einfach, ebenso wie in den unzähligen Solostellen und in den vielfach wechselnden Charakteren, ja sogar noch in den abrupten Stimmungsumschlägen.

Dass sich das Ganze nicht immer zur Summe seiner Teile addierte, war da ein nicht ohne weiteres zu erklärendes Phänomen. Dem Jubel im Großen Saal tat dies jedoch keinerlei Abbruch. (Daniel Ender, 15.3.2016)