Nanosäulen auf der Oberfläche der künstlichen Hornhaut sorgen für ihre antibakterielle Wirkung.

Foto: Jonathan Pegan (Hornhaut), Mary Nora Dickson (Einsatz)

Die künstliche Kontaktlinse zur automatischen Augenanpassung bei Altersweitsichtigkeit besteht aus diversen Untereinheiten.

Foto: Dr. Hongrui Jiang

Bakterien haben es nicht leicht auf Insektenflügeln: Sie werden von winzigen Stäbchen, sogenannten Nanosäulen, aufgespießt, mit denen die Flügel überzogen sind. Klar, dass das Bioniker fasziniert, die das Prinzip auf andere Bereiche übertragen wollen. Deutsche Forscher der Ruhr-Universität Bochum etwa rekonstruierten eine solche Oberfläche aus Titan – Prothesen oder Implantate mit derartigen Nanosäulen könnten das Infektionsrisiko bei Operationen senken.

Nun ist es einem Forschungsteam der University of California in Irvine gelungen, antibakterielle Nanosäulen auf synthetischen Polymeren herzustellen. Derzeit arbeitet die Gruppe um Materialwissenschafter Albert Yee an einer künstlichen Hornhaut aus Polymethylmethacrylat (PMMA), besser bekannt unter dem Markennamen Plexiglas. Das Material wird bereits für harte Kontaktlinsen und Intraokularlinsen verwendet; durch den Einbau von Nanosäulen könnten deren Oberflächen Bakterien abtöten, ohne dass man eine zusätzliche antibakterielle Beschichtung anbringen müsste. Andere Zellarten im Auge werden dabei nicht beschädigt.

Bekämpfung von E. coli und Staphylokokken

"Unsere Methode ist stabil, günstig und kann in der industriellen Produktion angewandt werden", sagt Mary Nora Dickson, Forscherin der Projektgruppe. Sie hat mit ihren Kollegen bereits nachgewiesen, dass ihre Nanosäulen genauso wirken wie die natürliche Bakterienabwehr auf Zikadenflügeln: Die Zellwand von gramnegativen Bakterien wie Escherichia coli wird durchdrungen, der Mikroorganismus stirbt. Schwieriger ist es bei grampositiven Bakterien, deren Hülle dicker ist. Unter diese Kategorie fallen zum Beispiel gefürchtete Krankenhauskeime wie Staphylococcus aureus und Streptokokken.

Gegen jene Einzeller kommen die Nanosäulen von Zikaden nicht an, wohl aber die der Libellen, die noch dünner und länger sind. Deshalb brechen sie bei der Herstellungsmethode der Forschungsgruppe allerdings auch sehr schnell ab, wenn das Polymer aus der Form genommen wird. Dickson experimentiert derzeit mit fluorierten Siliziumverbindungen, die die Form überziehen könnten. Die Gruppe hat bereits Patente für die antibakterielle Oberfläche und die künstliche Hornhaut angemeldet und hofft, im nächsten Jahr mit Tierversuchen beginnen zu können. Ob sich durch eine solche Technologie ähnlich wie bei Antibiotikaresistenzen irgendwann Bakterien mit besonders schwierig durchdringlicher Hülle entwickeln, ist allerdings unklar.

Inspiration Elefantenrüsselfisch

Auch der Bioingenieur Hongrui Jiang von der Universität Wisconsin-Madison arbeitet an der Verbesserung von Sehhilfen und hat sich unter anderem vom Elefantenrüsselfisch inspirieren lassen. Der afrikanische Fisch lebt in schlammigen Flüssen, in denen die Lichtverhältnisse eher mau sind. Dass er relativ selten Räubern zum Opfer fällt, verdankt er der besonderen Form seiner Netzhaut, die etliche tassenartige Dellen mit lichtreflektierenden Seitenwänden aufweist. Dadurch sammelt er mehr Licht als mit einer normal gekrümmten Netzhaut und kann potenzielle Angreifer schneller erkennen.

Elefantenrüsselfisch (Gnathonemus petersii)
Foto: Citron / CC-BY-SA-3.0

Diese Fähigkeit half Jiang bei einem wichtigen Detail seiner Forschung. Er entwickelt Kontaktlinsen, die Altersweitsichtigen helfen sollen. Diese können nahe Objekte ohne Sehhilfen nicht scharf erkennen, weil die Linse an Elastizität verliert und das Auge die Linsenform nicht mehr ausreichend anpassen kann. Während Brillen, konventionelle Kontaktlinsen und Operationen die Lage verbessern können, reduzieren sie dabei jedoch Kontrast und die Fähigkeit zur Nachtsicht. Jiangs Speziallinsen sollen daher selbst fokussieren können.

Um eine solch komplexe Aufgabe zu übernehmen, beinhalten sie verschiedene Teile: Sensoren und einen winzigen elektronischen Stromkreis, wodurch die Form der Linse angepasst wird, sowie eine Solarzelle mit Speicherkapazitäten als Energiequelle. Alles eingebettet in ein weiches, flexibles Material, das aufs Auge passt. "Die Sensoren müssen extrem klein sein und auch bei wenig Licht Bilder verarbeiten, deshalb müssen sie äußerst lichtempfindlich sein", sagt Jiang.

Flüssige Linsen

Hier kommt die Netzhaut des Elefantenrüsselfischs ins Spiel. Angelehnt an deren Eindellungen mit reflektierenden Seitenwänden konnte Jiang mit Kollegen ein Gerät entwickeln, das tausende winzige Lichtkollektoren mit Aluminium beinhaltet. In ihrer Studie, die im Fachblatt "PNAS" veröffentlicht wurde, testeten sie den Apparat an einem mechanischen Augenmodell.

Daneben haben die Forscher verschiedene Möglichkeiten in Sachen Kontaktlinsenmaterial durchgespielt. Ein Ansatz ist die flüssige Linse, die aus einem Tropfen Silikonöl und Wasser besteht, zwei Substanzen, die sich nicht miteinander vermischen. Der Tropfen sitzt in einer Kammer auf einer flexiblen Plattform, und ein elektrisches Feld wird angelegt, das die Oberflächenspannung der beiden Flüssigkeiten unterschiedlich beeinflusst. Dadurch wird der Tropfen so verformt, dass verschiedene Brennweiten in der Linse eingestellt werden können.

Prototyp frühestens in fünf Jahren

Eine andere Variante wäre eine Linse, die ähnlich wie ein Insektenauge aus tausenden einzelnen Mikrolinsen aufgebaut ist. "Jede Mikrolinse besteht aus einem Bündel an Silikon-Nanodrähten", sagt Jiang. Zusammen sorgen sie für eine größere Auflösung als die Flüssiglinse. Damit könnten nicht nur Kontaktlinsen optimiert werden, sondern auch chirurgische Geräte, mit denen eine 360-Grad-Ansicht des Körperinneren möglich ist, oder Laternenpfähle, an denen das Material angebracht werden könnte, um Kreuzungen besser einsehbar zu machen als mit einem konvexen Spiegel.

Bis zu einem Prototypen der Linse, mit dem klinische Tests durchgeführt werden können, wird es wohl noch fünf bis zehn Jahre dauern, vermutet Jiang. "Der Markt dafür dürfte aber riesig sein, und in Massenproduktion werden die Kosten solcher Kontaktlinsen wahrscheinlich kein Hindernis darstellen." (sic, 20.3.2016)