Regisseurin Ruth Beckermann wurde bei der Diagonale ausgezeichnet.

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Preise hat Ruth Beckermann, die ihr Renommee als Essay- und Dokumentarfilmregisseurin gewonnen hat, schon einige bekommen. Es spricht für ihre Entdeckungslust und Neugierde, dass sich seit Samstagabend nun einer für den besten Spielfilm dazugesellt, der Große Preis der Diagonale.

Beckermann hat für ihre Adaption der in glühenden Worten gehaltenen Korrespondenz zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan erstmals mit Schauspielern gearbeitet. Eingesprochen wird der Text, in dem sich die Hürden einer Liebe zwischen einem Juden und der Tochter eines NSDAP-Mitglieds manifestieren, auf dem Setting des Wiener Funkhauses. Dort folgt Beckermann der Eigenmächtigkeit der Sprache gleich auf mehreren Ebenen: auf Gesichtern, aber auch auf dem Gelände, in dem die Dialoge nachhallen.

Bei der Diagonale hat die seit 1977 tätige Filmemacherin – davor arbeitete die promovierte Kunsthistorikerin als Journalistin – auch ihr nächstes Projekt vorgestellt, einen Kompilationsfilm über die Waldheim-Ära. Mit den beiden Arbeiten sind schon zwei wesentliche Ausrichtungen der Tochter einer jüdischen Wiener Familie – der Vater hatte ein Damenmodegeschäft in der Innenstadt – umrissen: einerseits die Flaneurin und Bildersucherin, die sich ausgehend von der Identität einer österreichischen Jüdin mit historischen Verwerfungen und Fluchtbewegungen befasst, die sie immer wieder in die Ferne, auf Reisen und in die Literatur führen – zuletzt in dem Collagefilm Those Who Go Those Who Stay.

Zugleich und ebenso wichtig: die Position der politisch unnachgiebigen Intellektuellen und Gegenwartskritikerin, der speziell die Ausformungen österreichischer Nachlässigkeit im Umgang mit der nationalsozialistischen Vergangenheit keine Ruhe lassen. Ihr Film über die Wehrmachtsausstellung, Jenseits des Krieges, mag hier nur als eines von vielen Beispielen stehen.

Geprägt wurde Beckermann, 1952 in Wien geboren, nicht zuletzt durch die Jugend in einem Land, das seine Identität lange auf einem Opfermythos gründete. In den 1970er-Jahren wurde sie in linken Gruppierungen politisch aktiv – ihr erster Film, noch im Kollektiv entstanden, befasst sich mit der Besetzung der Arena. Seit damals ist Beckermann, die auch Mutter eines Sohnes ist, weit herumgekommen – in allen Arbeiten kommt sie jedoch immer wieder darauf zurück, wie sich die Geschichte beharrlich in der Gegenwart spiegelt. (Dominik Kamalzadeh, 13.3.2016)