Große Datenmengen bergen Nutzen und Risiken. Zu den größten Herausforderungen zählt der Datenschutz.

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Große Datenmengen aus dem echten Patientenleben sind notwendig – zu diesem Schluss kommen Metastudien, die Arbeiten aus der medizinischen Forschung analysieren. Selbst Doppelblindstudien bieten demnach nicht immer ausreichend verlässliche Informationen, die in der evidenzbasierten Medizin angewendet werden könnten. Stattdessen sollen Erkenntnisse aus reellen Daten gewonnen werden, und die werden in großen Mengen gebraucht.

In Schottland wurde 2010 das Programm "Sparra" entwickelt, das Patientendaten sinnvoll nutzen will. "Sparra" ist die Abkürzung für "Schottische Patienten mit Risiko für stationäre (Wieder-) Aufnahme" und soll beim Umgang mit der alternden Bevölkerung helfen. Dabei handelt es sich um einen Algorithmus, der voraussagen soll, ob jemand innerhalb des nächsten Quartals gefährdet ist, als Notfall in ein Krankenhaus eingewiesen zu werden. Für 4,2 Millionen Schotten werden daher Risikoscores berechnet und bei hohem Wert an die betreuenden Ärzte, Krankenpersonal und Sozialbetreuer weitergeleitet, um Präventivmaßnahmen zu ergreifen.

Nationale und lokale Erfolge

Das Projekt scheint erfolgreich zu sein: 2013 und 2014 sind die Notfallaufnahmen um 20 Prozent zurückgegangen. Zudem sank die Dauer von Krankenhausaufenthalten um zehn Prozent, was insgesamt zur Einsparung von 21 Millionen Euro führte.

Auf lokaler Ebene entstanden verschiedene Initiativen: So konnten etwa Bezirkskrankenschwestern der Grafschaft Lanarkshire 700 ältere Personen vorsorglich zu Hause behandeln und über das System effektiver mit Allgemeinärzten, Sozialpflegern, Gesellschaften für sozialen Wohnungsbau und Gesellschaften zur Betreuung von psychisch kranken und Alzheimerpatienten zusammenarbeiten. In Aberdeenshire wurde die Versorgung von gebrechlichen, älteren Patienten durch Fachärzte um zehn Prozent reduziert, weil sie nicht mehr notwendig war.

Datenlecks und Datenschutz

"Big Data" im Gesundheitsbereich kann jedoch auch probelmatisch sein, wie zwei Beispiele aus Großbritannien zeigen: Sensible Patientendaten des Universitätskrankenhauses von Brighton und Sussex wurden auf 232 Festplatten über Ebay verkauft. Ein Fehler unterlief dem Bloomsbury-Patientennetzwerk, das sich um HIV-positive Patienten kümmert. – Angestellte hatten, angeblich versehentlich, die Identitäten von 200 Patienten per E-Mail geteilt. Groß angelegte Hacks könnten auch solche Daten betreffen – persönliche Daten europäischer Bürger dürften bis zum Jahr 2020 eine Billion Euro wert sein.

Daher sollen einerseits ernsthafte Datenlecks bei Unternehmen ans Licht kommen – sie sind rechtlich dazu verpflichtet, diese zu melden. Dies gehört zur Datenschutzregulierung der Europäischen Union und betrifft nicht nur Firmen innerhalb, sondern auch Drittländer, die auf europäischem Gebiet agieren.

Andererseits muss es Einzelpersonen möglich sein, sich unkompliziert aus solchen Datenbanken entfernen zu lassen, wenn es keine gegensätzliche Rechtsgrundlage gibt. Das Datenschutzreformpaket vom Dezember 2015 soll es Bürgern in Zukunft erleichtern, auf ihre persönlichen Daten zuzugreifen, sie aber auch löschen zu lassen, passend zum "Recht auf Vergessenwerden".

Qualität, nicht nur Quantität

Gerade in Bezug auf vorbeugende Maßnahmen, etwa zur Prävention von chronischen Krankheiten, ist es nicht nur ausschlaggebend, möglichst große Datenmengen zu sammeln. Die Qualität der Daten muss genauso stimmen. Konkret heißt das: Sie müssen sicher, verlässlich und nach ethischen Kriterien erhoben und behandelt werden. Darüber hinaus sollen sie aber ebenso effizient und benutzerfreundlich aufbereitet sowie gut mit anderen Datensätzen zusammenführbar sein.

Die Nutzung von "Big Data" zur Krankheitsprävention soll nun im fünften Teil der Befragung zu chronischen Krankheiten erhoben werden. Die Umfrage findet in Zusammenarbeit mit dem STANDARD statt und ist nun auf der Plattform ReiSearch verfügbar. Ende April werden die Ergebnisse vorgestellt und auch im STANDARD veröffentlicht. (red, 16.3.2016)