In Kärntens Finanzen ist der Wurm drin. Die Haftungen für die Hypo kann das Land nicht stemmen. Damit droht die Pleite.

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Wien – Im Dilemma um die Schulden der Bad Bank Heta (früher Hypo Alpe Adria) sind die großen Gläubiger dabei geblieben: Sie haben das Rückkaufangebot Kärntens für landesgarantierte Heta-Anleihen nicht angenommen. Das hat eine Sprecherin des Gläubigerpools kurz nach Ablauf der Annahmefrist am Freitag um 17 Uhr bestätigt. Dieser Gläubigerpool besitzt Bonds im Wert von fünf Milliarden Euro und kann damit eine Lösung blockieren.

Aus informierten Kreisen war bereits am Donnerstag zu hören, dass die Sache wegen technischer Anforderungen der internen Clearingsysteme schon am Montag oder Dienstag gelaufen war. Die großen Gläubigergruppen seien bei ihrer Ablehnung des Heta-Schuldenrückkaufangebots geblieben.

Womit eine lange als akademisch dargestellte Frage eine äußerst akute Bedeutung erhält: Geht Kärnten pleite?

Forderungen schneiden

Klar ist jedenfalls, dass die Finanzmarktaufsicht im Falle eines Neins der Gläubiger zügig deren Forderungen schneiden wird. Und spätestens dann werden die Investoren, die rund elf Milliarden an behafteten und somit mündelsicheren Anleihen erworben haben, auf die Kärntner Garantie zugreifen.

Trotz all der vielen juristischen Unwägbarkeiten in der Hypo-Geschichte kann davon ausgegangen werden, dass Kärnten dann liefern muss, womit die Zahlungsunfähigkeit wohl unvermeidlich wäre. Kärnten will zwar alle rechtlichen Mittel – auch gesetzliche Abwehrmaßnahmen werden derzeit geprüft – gegen die Gläubiger ausschöpfen, doch gibt es massive Zweifel an der Tauglichkeit dieser Maßnahmen.

Problemfall Konkurs

Das Problem bei einem allfälligen Konkurs des Landes: Es gibt kein Insolvenzrecht für Bundesländer, weshalb die möglichen Belastungen für Kärnten in den Sternen stehen. Am ehesten lassen sich Parallelen aus der Exekutionsordnung ziehen, die auch für Gemeinden gilt.

Für die Kommunen wird darin sichergestellt, dass die Befriedigung von Gläubigeransprüchen das öffentliche Interesse nicht beeinträchtigen dürfe. Das hieße nach überwiegender Auffassung der Juristen, dass beispielsweise Schulen, Spitäler und Krankenhäuser nicht versilbert werden müssten.

Großer Graubereich

Doch dann kommt schon der große Graubereich. Die Professoren Georg Kodek und Michael Potas leiten im Kärntner Auftrag aus der verfassungsmäßigen Bestands- und Funktionsgarantie einen weitreichenden Schutz von Vermögenswerten vor dem Gläubigerzugriff ab.

Ihrer Ansicht nach könnten daher auch Forderungen aus Wohnbaudarlehen, Kelag-Anteile, Immobilien und Firmenbeteiligungen nicht in die Insolvenzmasse einfließen. Nach dieser Betrachtung könnte Kärnten überhaupt nur 60 Millionen Euro zur Verfügung stellen.

Unterschiedliche Interpretationen

Diese Interpretation geht anderen Experten viel zu weit. Der Verfassungsjurist Heinz Mayer – im Auftrag von Gläubigern – ist der Ansicht, dass die Funktionsgarantie nur Gesetzgebung, Vollzug und Gerichtsbarkeit umfasse. Was dafür nicht notwendig ist, rechnet er dem exekutionsfähigen Finanzvermögen zu. Kelag, Wohnbaudarlehen und Fuhrpark bis hin zum Landhaus seien somit dem Zugriff der Gläubiger ausgesetzt.

All diese Fragen bleiben offen, bis die Höchstgerichte gesprochen haben. Klar ist hingegen, dass Kärnten mit seinem Beitrag an die Investoren von 1,2 Milliarden lediglich gut zehn Prozent des Haftungsvolumens in den Topf wirft. Der größte Teil kommt aus der (erhofften) Abwicklung der Hypo-Alpe-Adria-Nachfolgerin Heta, einen weiteren stellt eine Prämie des Bundes dar. Kärntens Beitrag sei viel zu niedrig, meinen die Gläubiger unisono und stellen dazu mehrere Vergleiche an.

Noch viel Luft

Einerseits gebe es 2,8 Milliarden Euro an verwertbarem Vermögen plus Zukunftsfonds (500 Millionen). Andererseits könnte Kärnten einen langfristigen Kredit vom Bund über 3,5 Milliarden Euro aufnehmen, bei dem die jährliche Zinslast 53 Millionen Euro oder 0,3 Prozent des Kärntner Bruttoregionalprodukts ausmache, heißt es in einem Positionspapier des Restrukturierungsteams von Gleacher Shacklock.

Auch ein Gläubigerpool hat sich umgesehen: Selbst wenn Kärnten fünf Milliarden Euro aufnehme, liege die Verschuldung mit 14.500 Euro pro Kopf in der Gegend Berlins oder Hamburgs und bei der Hälfte der Außenstände Bremens. Franz Schellhorn vom Thinktank Agenda Austria hat die Linie des Landes in Bezug auf die Hypo-Haftungen im STANDARD einmal so beschrieben: "Ein ganzes Land sieht sich in der Opferrolle, halb Kärnten tut so, als hätte es die vergangenen 15 Jahre im slowenischen Exil zugebracht."

Daher macht wieder einmal das Beispiel Leukerbad die Runde: Die Schweizer Gemeinde legte 1998 eine famose Pleite hin und musste alles verwerten, was nicht unbedingt zur Aufgabenerfüllung notwendig ist. Verkauft wurde auch das Rathaus. (Renate Graber, Andreas Schnauder, 11.3.2016)