Die Anhänger des brasilianischen Expräsidenten geben sich so kämpferisch wie Lula selbst – hier bei einer Demo in Rio de Janeiro.

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Bisher galt Brasiliens Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva als Übervater, Volkstribun und unantastbare Ikone der Linken. Doch innerhalb einer Woche hat sich das Image komplett gewandelt. Erst wurde der 70-Jährige von der Bundespolizei abgeführt und knapp vier Stunden zu seinen Verwicklungen in den Petrobras-Korruptionsskandal verhört.

Jetzt soll der Ex-Staatschef wegen Geldwäsche und Falschaus sage angeklagt werden. Ein entsprechendes Gesuch der Ermittler ist bei der Staatsanwaltschaft São Paulo eingegangen. Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft auch Untersuchungshaft beantragt. Damit rückt für Lula da Silva das Unvorstellbare – eine Gefängnisstrafe – in unangenehm greifbare Nähe. Auch in Brasilien wäre das ein bisher beispielloser Vorgang.

Ermittlungen auch gegen Familie

Die Untersuchungsbehörden sprechen von "starken Indizien", dass Lula von dem Korruptionsnetz um den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras profitiert hat. Das Anklagegesuch bezieht sich jedoch "nur" auf ein 300 Quadratmeter großes Luxusapartment im Küstenort Guarujá, das Lula als Gegenleistung für die Hilfe bei Auftragsvergaben an den Baukonzern OAS erhalten haben könnte.

Das Bauunternehmen soll in dem Apartment Renovierungen in Höhe von mindestens 777.000 Real (rund 190.000 Euro) vorgenommen haben. Zusammen mit Lula sollen auch seine Ehefrau Marisa Letícia und sein ältester Sohn Fábio Luiz Lula da Silva – genannt Lulinha – sowie 13 weitere Verdächtige angeklagt werden.

Kämpferischer Ex-Präsident

Der Ex-Gewerkschafter gibt sich kämpferisch und stellt sich als Opfer eines Komplotts von Putschisten dar, die nur die Regierung stürzen wollten. Immer wieder beteuert er, nicht Eigentümer der Immobilie zu sein.

Hinter den Kulissen heckten seine Vertrauten indes einen heiklen Plan aus, um ihn vor dem Zugriff des für die Korruptions ermittlungen zuständigen Unter suchungsrichters Sergio Mora zu schützen. Demnach soll Lula laut Folha de São Paulo als Minister in die Regierung einrücken, dann könnte nur noch der Oberste Gerichtshof Ermittlungen anordnen – ein weitaus komplizierteres Unterfangen. Angeblich soll Präsidentin Dilma Rousseff dem Plan schon zugestimmt haben. Eine Alternative hatte sie freilich nicht.

Pro-forma-Minister Lula

Die Opposition will in den nächsten Tagen im Kongress über ein Amtsenthebungsverfahren ge-gen sie abstimmen lassen. Allerdings würde Rousseff mit einem Pro-forma-Minister Lula ihre letzte Glaubwürdigkeit als Präsidentin verlieren – das weiß sie selbst.

Unterdessen gab die liberale PMDB, der größte Koalitionspartner der regierenden Arbeiterpartei PT, bekannt, mit der Opposition einen "gemeinsamen Weg" zu gehen. "Wir können nicht ruhig zusehen, wie das Land zerfällt", erklärte die Parteispitze. Ein solcher Zusammenschluss im Kongress würde für Rousseff den Verlust der parlamentarischen Mehrheit und damit das endgültige Aus für sie und ihre Regierung bedeuten.

Stimmung radikalisiert sich

Die Ermittlungen gegen Lula machten Rousseffs Abgang immer wahrscheinlicher, meint auch Claudio Couto, Politologe an der Wirtschaftsuniversität Getúlio Vargas. "Mit Lula auf dem Schleudersitz wird der Prozess jetzt beschleunigt", sagt er.

Für Brasilien bedeutet die aufgeheizte Stimmung eine weitere Radikalisierung. Gegner und Anhänger der Regierung stehen sich unversöhnlich gegenüber, regelmäßig kommt es zu Zusammenstößen. Für das Wochenende hat die "Pro Impeachment"-Bewegung zu Massendemonstrationen im ganzen Land aufgerufen. Auch Gewerkschaften und soziale Bewegungen haben ihre Anhänger mobilisiert. (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 11.3.2016)