Unbekannte haben an der Grenze zwischen den russischen Kaukasusrepubliken Inguschetien und Tschetschenien eine Gruppe von Bürgerrechtlern und Journalisten überfallen und misshandelt. Der Kleinbus des "Komitees gegen Folter" und ein Begleitwagen waren auf der Fernstraße von Beslan Richtung Grosny unterwegs, als drei Pkws sie an den Straßenrand drängten. 15 bis 20 Maskierte schlugen die Scheiben ein und zerrten Insassen aus dem Wagen.

Die Opfer berichteten, mit Holzknüppeln und scharfen Gegenständen geschlagen worden zu sein. Dabei beschimpften die Schläger sie als "Verräter" und "Terroristen". Anschließend nahmen die Täter mehrere Telefone mit, zündeten das Fahrzeug der Journalisten an und flüchteten.

"Es war schrecklich. Ich dachte, ich muss sterben. Ich dachte, ich hätte meiner Frau noch einmal richtig Lebewohl sagen sollen", beschrieb der norwegische Journalist Oystein Windstad den Vorfall. Windstad, der sich eigenem Bekunden nach heftig gewehrt hat, musste mit ausgeschlagenen Zähnen, Platz- und Stichwunden im Gesicht und am Körper ins Spital eingeliefert werden. Dort wurde ihm ein Gips angelegt. Verletzt wurde auch die schwedische Radioreporterin Maria Persson Löfgren. Insgesamt mussten vier der neun Opfer im Krankenhaus behandelt werden. Ihr Zustand sei aber zufriedenstellend, heißt es.

Laut dem russischen Journalisten Jegor Skoworoda wurde die Gruppe seit Beginn der Pressereise beschattet. Zunächst seien sie nur bis zur tschetschenischen Grenze überwacht worden. "Heute sind sie uns sowohl hier als auch dort gefolgt", berichtete er.

Auch Kreml "empört"

Der Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten forderte Generalstaatsanwalt Juri Tschaika und den Chef des Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin auf, persönlich Kontrolle über Ermittlungen zu übernehmen. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte den Überfall "absolut empörend".

Der Leiter des Komitees gegen Folter, Igor Kaljagin, äußerte freilich den Verdacht, dass tschetschenische Sicherheitsorgane an der Tat beteiligt gewesen seien. Kaljagin gilt als Intimfeind von Staatspräsident Ramsan Kadyrow. Sein Büro in Grosny wurde nach einer Kadyrow-Schelte im vergangenen Jahr angezündet.

Kadyrows eigener Menschenrechtsbeauftragter, Nurdi Nuchadschijew, wies die Vorwürfe als "absurd" zurück. Stattdessen verdächtigte er Kaljagin, den Vorfall selbst inszeniert zu haben. Der tschetschenischen Führung komme der Überfall nicht gelegen, sagte Nuchadschijew. Mit ähnlicher Argumentation verwahrt sich die Umgebung Kadyrows auch gegen Verdächtigungen im Mordfall des Oppositionellen Boris Nemzow. (André Ballin aus Moskau, 10.3.2016)