Wien – Sepp Schellhorn hat definitiv einen Nerv getroffen. Als der Neos-Abgeordnete in Medien beklagte, eine von ihm in Salzburg untergebrachte Flüchtlingsfamilie sei nach Wien gezogen, weil ihr von einem NGO-Vertreter vorgerechnet worden sei, sie könne dort jährlich 35.000 Euro an Sozialleistungen lukrieren, gingen im Schellhorns Facebook-Seite die Wogen hoch.

Die einen werfen Schellhorn vor, nur Neid zu schüren. Andere wiederum finden es ungerecht, wenn Menschen nach jahrzehntelanger Arbeit weniger als 1000 Euro Pension pro Monat bekommen.

Verschiedene Systeme

Auch in den STANDARD-Foren und in Leserbriefen wird heftig über das Spannungsverhältnis zwischen nötiger und möglicherweise zu großzügiger sozialer Absicherung diskutiert. Der STANDARD nimmt die Debatte zum Anlass, um die verschiedenen Systeme für unterschiedliche Gruppen darzustellen.

Das Sozialsystem soll Sicherheit vor dem Absturz in die Armut bieten. Aber wie viel Schutz ist nötig?
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Eines vorweg: Die unten angeführten Beispiele basieren auf einem ganzjährigen Vollbezug von Sozialleistungen, sind also Maximalvarianten. Bei der Mindestsicherung gibt es aber viele "Aufstocker", die also zusätzlich zu einem anderen Einkommen einen Teilanspruch auf Mindestsicherung haben. Der Alleinverdienerabsetzbetrag, der im Rahmen der Steuererklärung noch geltend gemacht werden kann, ist nicht berücksichtigt. Aber der Reihe nach:

  • Mindestsicherung: Zunächst: Mindestsicherung ist nicht gleich Mindestsicherung. Auch wenn 2011 teilweise einheitliche Standards definiert wurden (aktuell 837,76 Euro für Singles, 1256,64 Euro für Paare), variiert die Höhe am Ende des Tages noch immer von Bundesland zu Bundesland.

    Am Beispiel der Kinderzuschläge: In Kärnten gibt es für die ersten drei Kinder monatlich je 150,84 Euro an Mindestsicherung (ab dem vierten Kind dann 125,70 Euro), in der Steiermark sind es für die ersten vier Kinder jeweils 159,17 Euro, ab dem fünften dafür 192,68 Euro. In Oberösterreich und Tirol bekommen Eltern für jedes Kind knapp 200 Euro und in Wien sogar 226,20 Euro.

    Erhebliche Unterschiede gibt es auch beim Wohnbedarf. Im Burgenland, in Kärnten sowie in Nieder- und Oberösterreich sind pauschal 25 Prozent der Mindestsicherung für die Wohnkosten reserviert. Mehr kann es nur in Einzelfällen geben. Tirol und Vorarlberg gewähren die tatsächlichen (also höheren) Wohnkosten, wobei es aber "ortsübliche" Höchstgrenzen gibt. Und: Von den Behörden kann nach einer gewissen Zeit verlangt werden, dass sich die Mindestsicherungsbezieher eine günstigere Wohnung suchen.

    Auch in Wien und der Steiermark gibt es zusätzliche Leistungen. Wegen der regionalen Unterschiede geht die Armutskonferenz davon aus, dass die absolut höchsten Leistungen nicht in Wien, sondern in Tirol, Vorarlberg und Salzburg bezogen werden können.

  • Pension: Vergleiche mit der Mindestpension (die sogenannte Ausgleichszulage) wiederum hinken. Die Grundsätze sind zwar ident mit der Mindestsicherung, allerdings werden die Pensionen 14-mal jährlich ausbezahlt, die Mindestsicherung nur zwölfmal. Ein weiterer Unterschied: Bevor man Mindestsicherung beziehen kann, muss das Vermögen weitgehend aufgebraucht werden (bis auf 4188,80 Euro). Die Ausgleichszulage bekommt man unabhängig davon.

    Auf das Jahr hochgerechnet können sich aber natürlich bei Mehrkindfamilien in der Mindestsicherung höhere Sozialleistungen ergeben als bei Pensionisten. Vor allem auch deshalb, weil Pensionisten nur selten minderjährige Kinder haben. Was aber wenig bekannt ist: Es gibt auch einen Kinderzuschuss zur Pension (bis zum 18. Lebensjahr, bei Studenten bis 27) in Höhe von 136,21 Euro.

    In der Bundeshauptstadt gibt es für die Senioren zudem eine Sonderleistung. Wer eine vergleichsweise hohe Miete zu bezahlen hat, kann zusätzlich zur Ausgleichszulage eine Mietbeihilfe im Rahmen der Mindestsicherung bekommen. Im Jahr 2013 (letzte Daten) haben davon immerhin 10.972 Personen profitiert. Eine weitere Wiener Besonderheit: Menschen, die das gesetzliche Pensionsalter erreicht haben (60 bei Frauen, 65 bei Männer), aber mangels ausreichender Versicherungszeiten keinen Anspruch auf eine Pension haben, bekommen die Mindestsicherung 14-mal pro Jahr. Selbiges gilt für Menschen, die für mindestens zwölf Monate arbeitsunfähig befunden wurden. Diese "Dauerleistung" haben 2013 9711 Menschen bezogen.

  • Flüchtlinge: Anerkannte Flüchtlinge sind derzeit bei der Mindestsicherung noch in ganz Österreich mit Inländern gleichgestellt. Wie berichtet wird in Oberösterreich aber – trotz verfassungsrechtlicher Bedenken – an einer Einschränkung gearbeitet.

  • Subsidiär: Für subsidiär Schutzberechtigte (kein Asyl, dürfen aber nicht abgeschoben werden) gibt es bereits jetzt im Burgenland, in der Steiermark, in Salzburg und in Niederösterreich eine Schlechterstellung. Dort bekommen sie nur die Grundversorgung, die es auch während des Asylverfahrens gibt (siehe Beispiel 5).

  • Familienbeihilfe: Familienbeihilfe bekommen Eltern grundsätzlich unabhängig von Bedürftigkeit und Versicherungszeiten, nicht aber subsidiär Schutzberechtigte, die in der Grundversorgung sind. Im Gespräch ist zudem bei der Familienbeihilfe eine Einschränkung für jene, deren Kinder nicht in Österreich leben. Die Höhe hängt vom Alter der Kinder ab. Bei Mehrkindfamilien macht sie aber schnell einige Tausend Euro pro Jahr aus, wie die fünf fiktiven Beispiele zeigen. (Günther Oswald, 11.3.2016)

Beispiel 1: Mindestsicherung – Familie, drei Kinder, Wien:

Wenn beide Partner Anspruch auf Mindestsicherung haben, steht ihnen 2016 ein Grundbetrag von 1256,64 Euro pro Monat zu. Für jedes minderjährige Kind gibt es in Wien 226,20 Euro dazu, für drei Kinder wären das also 678,60 Euro. In Summe könnte die Familie also 1935,24 Euro an Mindestsicherung bekommen. Für drei Kinder im Alter von zwei, fünf und acht Jahren kämen 577,20 Euro Familienbeihilfe (inklusive Kinderabsetzbetrag) dazu. Zusammen ergäbe das pro Jahr (die Mindestsicherung wird zwölfmal gewährt) 30.149,28 Euro. Machen die Mietkosten mehr als 25 Prozent der Mindestsicherung aus, kann noch eine Sonderzahlung beantragt werden.

Beispiel 2: Mindestsicherung – Alleinerzieherin, ein Kind, Tirol

Einer Alleinerzieherin, die nicht arbeitet, stehen 628,32 Euro zu. Für den elfjährigen Sohn gibt es zusätzlich 207,35 Euro an Mindestsicherung. Dauerbeziehern gewährt Tirol zusätzlich viermal jährlich Sonderzahlungen von 75,40 Euro. Beim Wohnbedarf gibt es in Tirol einen Rechtsanspruch auf die tatsächlichen Kosten (in anderen Ländern liegt der Wohnkostenanteil fix bei 25 Prozent der Mindestsicherung). Bei einer monatlichen Miete von 700 Euro würde die Mindestsicherung bei ganzjährlichem Bezug also 18.729,64 Euro ausmachen. Mit der Familienbeihilfe (monatlich 197,20 Euro – inklusive Kinderabsetzbetrag) ergäbe sich ein Jahreseinkommen von 21.096,04 Euro.

Beispiel 3: Mindestsicherung – Paar, Asylstatus, zwei Kinder, Kärnten:

Ein syrisches Paar, das offiziell Asyl in Österreich bekommen hat, ist bei der Mindestsicherung Inländern gleichgestellt. Das Ehepaar bekommt also 1256,64 Euro monatlich. Die Kinderzuschläge sind in Kärnten am niedrigsten – 150,84 Euro monatlich (ab dem vierten Kind nur noch 125,70 Euro). Für das gesamte Jahr könnte die Familie also maximal 18.699,84 Euro Mindestsicherung beziehen. Sonderzahlungen für höhere Wohnkosten gibt es in Kärnten nicht. Die Familien beihilfe für zwei Kinder im Alter von ein und drei Jahren läge bei monatlich 362 Euro (inklusive Kinderabsetzbetrag). In Summe käme der vierköpfige Haushalt also auf 23.043,84 Euro.

Beispiel 4: Mindestpension – Mann 61, Frau 60, 17-jährige Tochter:

Ein 61-jähriger Mann hatte häufig niedrig bezahlte Jobs, war regelmäßig arbeitslos. Sein eigener Pensionsanspruch läge daher nur bei 800 Euro im Monat. Da seine 60-jährige Frau die meiste Zeit ihres Lebens Hausfrau war, hätte sie nur einen Pensionsanspruch von 400 Euro. Das Paar kann somit eine Ausgleichszulage beantragen – sie ist österreichweit gleich. Dank dieses Zuschlags steigt die gemeinsame Pension auf 1256,64 Euro im Monat. Auch im Pensionssystem gibt es aber einen Zuschlag für minderjährige Kinder – 136,21 Euro. Die Familienbeihilfe (inklusive Kinderabsetzbetrag) liegt bei monatlich 197,20 Euro. Da die Pension 14-mal jährlich ausbezahlt wird, kommt die Familie jährlich auf 21.866,30 Euro.

Beispiel 5: Grundversorgung – Subsidiärer Schutz, Paar, zwei Kinder, Burgenland:

Hat die subsidiär schutzberechtigte Familie im Burgenland eine private Wohnung gefunden, kann ein Mietzuschuss von maximal 240 Euro gewährt werden. Für die Verpflegung gibt es 200 Euro pro Erwachsenen und 90 Euro pro minderjähriges Kind. Die Familie würde im Rahmen der Grundversorgung also maximal 820 Euro (zwölfmal jährlich) bekommen. Anspruch auf Familienbeihilfe für die zwei Kinder im Alter von fünf und sieben Jahren besteht in der Grundversorgung nicht. Insgesamt würde sich pro Jahr also ein Anspruch von maximal 9840 Euro ergeben. Einmal im Jahr kann zusätzlich Bekleidungshilfe (150 Euro) und Schulbedarf (200 Euro) beantragt werden.