Die Parteitage im Sommer vor der US-Präsidentenwahl sind normalerweise kein besonders überraschendes Prozedere. Mit Luftballons, Konfetti und langen Reden wird offiziell verkündet, was zumeist bereits seit Monaten feststeht: wer zum demokratischen und republikanischen Präsidentschaftskandidaten nominiert wird.

Doch ein Faktor macht dieses Mal alles anders: Donald Trump. Er treibt konservative Wähler zu den Wahlurnen und republikanische Parteigranden zur Weißglut. Der Immobilientycoon hat bereits eine komfortable Führung – doch eine Möglichkeit gibt es trotzdem noch, wie seine Nominierung verhindert werden kann: eine "Contested Convention" auf dem nationalen Parteitag im Juli (auch "Brokered Convention" genannt, nach den einst mächtigen Entscheidungsträgern, den "Power Brokers").

Bild nicht mehr verfügbar.

Beim Parteitag im August 2012 wurde Mitt Romney zum Kandidaten der Republikaner nominiert.
Foto: APA/EPA/TANNEN MAURY

Um die Nominierung zum republikanischen Kandidaten zu erhalten, braucht man nach den Vorwahlen mehr als die Hälfte der Delegierten, also mindestens 1.237. Sollte Trump diese Hürde nehmen – derzeit sieht es danach aus –, wird er beim Parteitag Mitte Juli in Cleveland zum Kandidaten nominiert, außer die Partei ändert ihre geltenden Regeln. Denn die meisten Delegierten (95 Prozent) sind an das Wahlergebnis ihres Bundesstaats gebunden und müssen beim Parteitag im ersten Wahlgang für ihn stimmen.

Sollte Trump jedoch im Vorwahlprozess weniger als 1.237 Delegierte erhalten, kommt es zur Kampfabstimmung. Siegt Trump dann im ersten Wahlgang nicht, folgen weitere Abstimmungen, bei denen eine immer geringere Zahl an Delegierten an ihren Bewerber gebunden ist. Beim zweiten Wahlgang sind nach Schätzungen der "New York Times" nur noch 43 Prozent der Delegierten an den Bewerber gebunden, bei der dritten Abstimmung nur noch 19 Prozent.

Mehr dazu bei Frontloading HQ unter "Number of Ballots Bound"

Wichtig ist hier die Regel 40, die seit dem Jahr 2012 in Kraft ist: Als Kandidat nominiert werden kann demnach nur, wer die Vorwahlen in mindestens acht Staaten für sich entschieden hat. Die Chancen stehen allerdings gut – sofern Trump wirklich bis zum Ende der Vorwahlen keine Mehrheit erhält –, dass diese Regel vor dem Parteitag geändert wird.

Sollte das passieren, werden die verbliebenen Bewerber versuchen, die in ihrer Entscheidung freien Delegierten auf ihre Seite zu ziehen. Es könnte aber auch jemand völlig Neuer zum Zug kommen: Mitt Romney, der eine "Contested Convention" zuletzt als "realistisches Szenario" bezeichnete, war zum Beispiel kurzzeitig als Bewerber im Gespräch, schloss eine Kandidatur aber schließlich aus.

60 Jahre ohne Kampfabstimmung

Eine Kampfabstimmung ohne Mehrheit im ersten Wahlgang fand bei den Demokraten zuletzt im Jahr 1952 statt, bei den Republikanern 1948 – es gab also keine, seit das Vorwahlsystem in den 1960er-Jahren reformiert wurde und Delegierte für den ersten Wahlgang dazu verpflichtet wurden, beim Parteitag bestimmte Bewerber zu wählen. Im Jahr 1924 brauchten die Demokraten unglaubliche 103 Wahlgänge, bis eine Mehrheit feststand.

Sollten mehr Bewerber im Rennen um die republikanische Kandidatur verbleiben als zwei, wird eine "Contested Convention" wahrscheinlicher, weil sich die Stimmen stärker verteilen. Die Chance auf eine solche Kampfabstimmung bleibt aber insgesamt gering, denn Trump hat bereits jetzt mehr als 450 Delegiertenstimmen (Cruz kommt mit rund 350 auf Platz zwei) und liegt in den meisten Umfragen für die kommenden Vorwahlen vorne. Sollte er am Dienstag auch in Ohio und Florida Siege davontragen – die alle ihre Delegierten an den Bewerber mit den meisten Stimmen vergeben –, stehen die Chancen noch schlechter. Aber es scheint wohl die einzige Möglichkeit zu sein, Trump noch aufzuhalten. (Noura Maan, 14.3.2016)