Buhrufe und Pfiffe setzte es für Kanzler Werner Faymann bei seiner Rede auf der Klubtagung der Wiener SPÖ in Floridsdorf.

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Da halfen auch die beschwichtigenden Worte von Klubchef Christian Oxonitsch nichts.

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Faymann (links) will die Leute nicht belügen. "Da können Sie noch sieben Schilder in die Höhe halten."

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Wien – Da halfen auch die beschwichtigenden Worte von Klubchef Christian Oxonitsch nichts: Bei der Eröffnung der Klubklausur der Wiener Sozialdemokraten im Floridsdorfer Tagungsort "Colosseum XXI" am Donnerstagvormittag wurde die Rede von Bundeskanzler Werner Faymann nicht nur zu Beginn mit pfeifenden Hochtönen gestört.

Fünf junge Sozialdemokraten hielten in der vorletzten Reihe der zuhörenden Genossen Schilder wie "Raus aus dem rechten Eck, Werner", "Des gibt a Blaue! Abpfiff für Faymann!" und "Spielerwechsel" in die Höhe, vereinzelt setzte es Buhrufe für den Kanzler. Faymann nahm in seiner Rede auch auf die Aktion Bezug: "Wir haben alles gesehen, alle drei Taferln gelesen." Die Aktionisten des Verbandes Sozialistischer StudentInnen (VSSTÖ) und der Aktion Kritischer Schüler (AKS) ließen sich davon nicht abhalten und hielten ihre Schilder während seiner gesamten Rede in die Höhe.

"Belüge Menschen nicht"

Bei den Sozialdemokraten schwinge immer mit, dass sie alles in Ordnung bringen sollten, was in anderen Teilen der Welt nicht in Ordnung sei, sagte Faymann in Bezug auf die Flüchtlingskrise. Und er machte bei den Genossen Werbung für den parteiintern umstrittenen "Richtwert" von 37.500 Flüchtlingen, die Österreich jährlich aufnehmen will. Denn ein Land alleine sei nicht in der Lage, alle unterzubringen und zu integrieren. "Wer das sagt, belügt die Menschen, und ich belüge sie nicht", rief der sichtlich erregte Faymann ins Mikrofon – unter Applaus und Buhrufen. Und: "Da können Sie noch sieben Schilder in die Höhe halten."

Mehr Zustimmung aus dem Publikum bekam der Kanzler, als er auf Verteilungsgerechtigkeit zu sprechen kam. Österreich müsse Flüchtlinge menschenwürdig, sozial und humanitär aufnehmen; vor allem müsse verhindert werden, dass Kinder in Armut leben müssen. Faymann sprach sich dafür aus, "dass von den Schuldenregeln (der EU, Anm.) ausgenommen wird, was wir jetzt für die Integration ausgeben".

Gegen weniger Mindestsicherung

Auch Bürgermeister Michael Häupl widmete – obwohl als Schwerpunkt der Tagung die Vorstellung von Bezirksprojekten auf dem Programm stand – den Großteil seiner Rede dem Flüchtlingsthema. In diesem Zusammenhang sprach er sich gegen die unterschiedliche Auszahlung der bedarfsorientierten Mindestsicherung an Österreicher und Flüchtlinge aus. Juristen würden eine Unterscheidung, wie sie Oberösterreich und Niederösterreich umsetzen wollen, als verfassungswidrig bezeichnen.

Häupl kritisierte die ÖVP, die sich "überhaupt gegen Mindestsicherung" aussprechen würde. "Sozialabbau ist Zielsetzung der österreichischen Volkspartei. Die armen Leute sind denen wurscht." Würde man dem Rechtsaußen-Flügel der ÖVP, zu dem er auch Außenminister Sebastian Kurz zählt, folgen, würde die Obdachlosigkeit in Wien gefördert.

Häupl stärkt Faymann den Rücken

Den harten Kurs der Bundesregierung unter Faymann verteidigte Häupl. Er sagte, dass die Illegalität der Zuwanderung beendet werden müsse. Schlepper würden die Leute ausbeuten. "Denen ist es scheißegal, wie es den Menschen geht." Häupl sprach sich für eine europäische Lösung in der Flüchtlingsfrage aus. "Sonst gibt es keine." Wenn Europa die Solidarität bei der Aufteilung von Flüchtlingen nicht wahrmache, werde "Europa schweren Schaden nehmen".

Länder mit Flüchtlingslagern dürften nicht alleingelassen werden. Häupl erinnerte an Jordanien, wo 1,8 Millionen Flüchtlinge in Lagern leben. "1,8 Millionen Einwohner hat Wien", sagte er. In den Lagern im Libanon aber würden Menschen ohne Verwaltung leben. Der Kritik des Flüchtlingshochkommissariats an Österreichs Flüchtlingspolitik erwiderte Häupl: Das UNHCR solle lieber schauen, "dass die Kinder in den Lagern nicht verhungern. Das wäre mir entschieden lieber."

"Verarschen tu ich mich lieber selber"

Trotz Bund-Länder-Staatsvertrags funktioniere die Verteilung von Flüchtlingen auch in Österreich nicht, kritisierte Häupl. Wien erfülle derzeit als einziges Bundesland mit 117 Prozent die Quote. Andere Bundesländer wie Oberösterreich würden sich abputzen. "Verarschen tu ich mich lieber selber", so Häupl.

Wien müsse auch in der wachsenden Stadt auf Humanität und Ordnung achten. Asylwerber, die gegen die Regeln des Zusammenlebens verstoßen würden, hätten "auch das Recht zum Hierbleiben verwirkt". Wien werde auf die massive Zuwanderung – im vergangenen Jahr wuchs die Bevölkerung um mehr als 43.000 – mit noch mehr Wohnbau reagieren, das sei die "wesentlichste Herausforderung". Hier nahm Häupl auch die Wienerinnen und Wiener in die Pflicht. Schließlich seien viele für den Wohnbau, viele würden aber darauf reagieren mit: "Aber nicht bei mir."

Menschen statt Zieseln

Häupl beschwerte sich über die intensive Auslegung des Naturschutzes in Wien, die Wohnbauprojekte behindere. So seien etwa die Ziesel beim Heeresspital in Wien-Floridsdorf für Verzögerungen verantwortlich. "Ich liebe Ziesel. Großartig", sagte der Biologe Häupl. "Wir brauchen auch den Artenschutz, aber für tatsächlich gefährdete Tiere. Es kann nicht sein, dass wir Ziesel mehr schützen als Menschen."

Häupl für "Gymnasium für alle"

In seiner Tour de Force sprach sich Häupl erneut dafür aus, dass Wien eine Modellregion für die gemeinsame Schule werden soll. Die "Gralshüter der Schule des 19. Jahrhunderts in der ÖVP" würden das aber verhindern. Dass nur Vorarlberg oder das Burgenland die Chance zur Modellregion erhalten sollen, wie von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) angedeutet, fand Häupl "lächerlich". Der Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel, der sich gegen den Vorstoß seines Parteichefs stellte, solle "Nachfolger vom Neugebauer werden", sagte Häupl. Um der ÖVP entgegenzukommen, könnte sich Häupl auch eine Gesamtschulreform mit "Gymnasium für alle" vorstellen.

Von der Wiener ÖVP kam allerdings gleich eine Absage. "Wenn Häupl jetzt davon spricht, das Gymnasium zur Gesamtschule zu machen, heißt das nichts anderes, als auch noch eine bestens funktionierende Schulform in Wien zu ruinieren", sagte Parteichef Blümel. Auch der Wiener FPÖ-Chef Johann Gudenus kommentierte den Vorschlag kritisch: "Dieser bildungstechnische Einheitsbrei würde das Niveau nur weiter nach unten drücken."

Niessl nicht eingeladen

Erstmals seit langem fand die Klubklausur der Wiener Roten nicht im burgenländischen Rust, sondern "an einem anderen Ort" statt, wie Klubchef Oxonitsch zur Eröffnung sagte. Das hatte den Vorteil, dass nicht der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl als Gastgeber die einleitenden Worte sprach, sondern der Floridsdorfer Bezirksvorsteher Georg Papai. Die rot-blaue Koalition im Burgenland wird von den Spitzen der Wiener SPÖ, vor allem von Bürgermeister Häupl, entschieden abgelehnt.

Neben den Landesparteigranden befanden sich auch einige rote Bundespolitiker im Publikum: Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, Nationalratspräsidentin Doris Bures und der Klubobmann im Parlament, Andreas Schieder. Auch der Präsident der Bundes-Arbeiterkammer, Rudolf Kaske, sowie Sozialdemokraten aus Deutschland waren anwesend. (David Krutzler, Christa Minkin, 10.3.2016)