Wien – Die deutschen Banken und Sparkassen haben einen Tag vor einer mit Spannung erwarteten Sitzung der Europäischen Zentralbank am Donnerstag eindringlich vor einer weiteren Lockerung der Geldpolitik gewarnt. "Am Ende droht ein Abwertungswettlauf, der keine Gewinner haben wird", sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Michael Kemmer.

Ein weiteres Öffnen der Geldschleusen könnte laut Kemmer in zahlreichen Ländern zu Gegenmaßnahmen führen. Der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Georg Fahrenschon, argumentierte ähnlich: Sollten die Notenbanker entscheiden, von Banken für ihre Einlagen noch höhere Strafzinsen zu verlangen, könnten für Millionen Bankkunden die Gebühren steigen, sagte Fahrenschon. Er forderte die EZB zu einer Kehrtwende auf. "In der Sackgasse muss man den Mut haben umzudrehen, weiter Vollgas führt zur Katastrophe", sagte Fahrenschon der Bild.

Welche Tricks hat die EZB noch auf Lager? So süß und pelzig sind die "Waffen" der Notenbanker nicht
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Eine Kehrtwende wird an den Finanzmärkten und von Analysten nicht erwartet, im Gegenteil. Die EZB hat vor einem Jahr ein aggressives Kaufprogramm in Sachen Staatsanleihen gestartet. Sie erwirbt pro Monat Papiere im Wert von 60 Milliarden Euro. Damit möchte sie die Zinsen weiter senken, die Kreditnachfrage stärken und letztlich die Wirtschaftsleistung beleben. Die Inflation soll mittelfristig wieder den angepeilten Wert von zwei Prozent erreichen. Doch davon ist man weit entfernt. Die Inflationserwartung an den Finanzmärkten, sie wird von handelbaren Produkten wie Swaps abgeleitet, ist auf ein historisches Allzeittief gefallen. Für die EZB besteht also Handlungsbedarf.

Eine Möglichkeit ist, dass die Notenbank bei ihrer Sitzung heute in Frankfurt das Tempo bei ihren Anleihenkäufen beschleunigt und mehr Papiere erwirbt. Allerdings erscheinen die Möglichkeiten begrenzt. Die EZB hat sich selbst Beschränkungen auferlegt, sie darf aktuell nicht mehr als 33 Prozent der Staatsanleihen eines Landes halten und auch bei einer einzelnen Emission von Papieren nicht mehr als 25 Prozent erwerben. Da die EZB bereits Staatsanleihen im Wert von mehr als 700 Milliarden Euro gekauft hat, wird sie diese Obergrenzen bei einer deutlichen Ausweitung wohl nicht halten können.

Eine andere Möglichkeit anzusetzen, betrifft den Einlagenzinssatz. Dies ist jener Zinssatz, der auf den Konten der Geschäftsbanken bei der EZB gilt. Aktuell ist der Zinssatz negativ (minus 0,3 Prozent). Banken zahlen also eine Art Strafe, wenn sie Geld bei der Notenbank lagern und nicht anderweitig einsetzen. Auch diese Maßnahme soll die Kreditvergabe ankurbeln. Gottfried Steindl, Analyst bei der Raiffeisen Bank International erwartet, dass der Einlagenzinssatz auf minus 0,4 Prozent gesenkt werden wird.

Weil die Inflation im Februar weit unter den Erwartungen lag, habe diese die "Fantasie" vieler Marktteilnehmer beflügelt. Viele rechnen daher mit einer Senkung des Einlagezinssatzes auf minus 0,5 Prozent. Noch eine Option gibt es: Die EZB kauft aktuell nur Staatsanleihen, deren Rendite nicht unter 0,3 Prozent liegt. Auch diese Grenze schränkt den Aktionsradius der Notenbanker ein – sie könnte also gesenkt werden. Nicht viel Spielraum gibt es beim Leitzins: Dieser liegt aktuell bei 0,05 Prozent. (szi, Reuters, 10.3.2016)