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Neun Millionen der schwarzen Säcke gefüllt mir radioaktiv verstrahltem Erdreich gibt es bereits in Japan.

Foto: AP/Greg Baker

Fukushima/Wien – Es ist 14.46 Uhr, als das schwere Erdbeben vor fünf Jahren in der japanischen Präfektur zu spüren ist. 40 Minuten später trifft der erste Tsunami auf das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Drei nukleare Kernschmelzen waren die Folge – die größte atomare Katastrophe seit Tschernobyl. Mehr als 150.000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen und wurden in Sicherheit gebracht. Und noch immer ist die Katastrophe nicht überstanden.

Zwar beteuern die japanischen Behörden, dass vor allem die Gebiete nordwestlich des Atomkraftwerks – wohin der Wind zu dem Zeitpunkt wehte – dekontaminiert sind. Doch zeigen Untersuchungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace, dass selbst in den bereits gesäuberten Bereichen die Strahlenwerte viel zu hoch sind.

Die Internationale Strahlenschutzkommission hat ein jährliches Strahlendosislimit von einem Millisievert (mSv) festgelegt. Unter diesem Wert gilt die Strahlenbelastung als gesundheitlich einigermaßen ungefährlich. "In den dekontaminierten Bereichen rund um das AKW Fukushima erreichten wir aber immer noch Messergebnisse, die um das Zehn- bis Zwanzigfache über dem Grenzwert lagen", sagt Adam Pawloff, Klima- und Energiesprecher von Greenpeace Österreich.

"Transkontamination"

Besonders fatal ist laut Studie, dass das verseuchte Erdreich nur in einem Umkreis von zwanzig Metern um die Wohnhäuser abgetragen wird. Die radioaktive Verseuchung der Wälder bleibe bestehen. Die zurückkehrenden Bewohner des Areals wären vor allem durch die Verbrennung des Holzes weiter der Radioaktivität ausgesetzt.

Selbst das bereits abgetragene verseuchte Material ist weiterhin eine Gefahr für die Umwelt und die Menschen. Ein Bericht der New York Times spricht weniger von "Dekontamination" als von "Transkontamination", da der toxische Müll in speziellen Säcken gesammelt und schließlich von einem Übergangslager zum nächsten in der Präfektur transportiert wird. Zwar gibt es Pläne der japanischen Regierung, ein Endlager für den Müll zu errichten, doch haben die Bauarbeiten dafür auch fünf Jahre nach der Katastrophe noch nicht begonnen.

Laut New York Times baut sich das Material der Aufbewahrungssäcke innerhalb von drei Jahren ab und das kontaminierte Erdreich muss immer wieder neu verpackt werden. Im vergangenen Herbst sollen es bereits mehr als neun Millionen solcher Säcke mit einem Fassungsvermögen von einer Tonne gewesen sein, die nur vorübergehend gelagert werden.

Soziale Auswirkungen

Zwar bemühte sich die japanische Regierung immer wieder zu betonen, dass das Unglück keine weitreichenden gesundheitlichen Folgen hätte, doch bereits im Vorjahr belegten Studien, dass die Zahl der Schilddrüsenkrebserkrankungen – vor allem bei Kindern – gestiegen war. "Man kann jetzt auch noch gar nicht abschätzen, welche Auswirkungen die Verseuchung hat", sagt Pawloff. Vor allem Schilddrüsenkrebs hätte eine lange Inkubationszeit. So würden die Fälle in Hiroshima und Nagasaki auch mehr als 70 Jahre nach dem Abwurf der Atombomben noch steigen.

Die Katastrophe von Fukushima hat zudem soziale Auswirkungen: Noch immer sind laut einer Untersuchung der Provinzregierung Fukushima vom Jänner knapp unter 100.000 Menschen aus der betroffenen Region vertrieben, wobei in dieser Zahl auch jene erfasst sind, die nach der Katastrophe bei Verwandten oder Freunden untergekommen sind. Zehntausende Menschen leben weiterhin in Notunterkünften. Sie sind laut Pawloff vor allem von den Hilfszahlungen der japanischen Regierung abhängig, doch diese will die Finanzierungen bis März 2017 einstellen. "Das zwingt viele dazu, in die noch immer verseuchten Gebiete zurückzukehren", befürchtet Pawloff.

Damit nicht genug, zeigte eine Kalkulation der Financial Times, dass das Unglück mit all seinen Folgen den japanischen Steuerzahler bereits mehr als 91 Milliarden Euro gekostet hat. Zwar zahlt vor allem der AKW-Betreiber Tepco die Rechnung, doch wird dieser noch immer vom Staat liquid gehalten. (Bianca Blei, 10.3.2016)