Kim droht mit Mini-Raketen.

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Und zeigt sie der Öffentlichkeit.

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Peking – Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un spielt nach seiner Drohung, Atomwaffen gegen Südkorea und die USA im Erstschlag einzusetzen, falls Anzeichen einer konkreten Bedrohung des Nordens erkennbar seien, nun seine letzte Trumpfkarte aus. Am Mittwoch behauptete er, kleine Atomsprengköpfe in Massenproduktion herstellen zu können. In einem von der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA gemeldeten Treffen mit Atom- und Raketenwissenschaftern gratulierte er den Technikern, die Atomsprengköpfe so verkleinert zu haben, dass sie auf Langstreckenraketen montiert werden können.

"Wir wissen nicht, ob er das wirklich kann oder nur damit angibt", sagte Zhang Liangui, einer der führenden chinesischen Nordkorea-Experten, einem Journalisten. Kim wolle die USA, die gemeinsam mit Südkorea großangelegte Militärmanöver vor der Küste begonnen haben, abschrecken und auch erschrecken. "Doch genau das könnte bei den Verbündeten den gegenteiligen Effekt bewirken" – die Atomwaffenbedrohung nämlich jetzt zu lösen, bevor es zu spät ist. Kim liefere ihnen sogar noch den Vorwand dafür, sagte der Strategieforscher an der Parteihochschule in Peking. "Die Lage wird immer gefährlicher, dass etwas passiert. Ich glaube, dass es noch innerhalb des Jahres 2016 zum großen Wandel in Nordkorea kommen wird."

China ändere Politik

China, das bisher die einzige für Nordkorea eintretende Schutzmacht und dessen größter wirtschaftlicher Unterstützer war, sei dabei, seine Politik zu ändern, sagte Zhang. Das habe Außenminister Wang Yi auf seiner Pressekonferenz am Dienstag in einem Schwenk angedeutet, der vielen Beobachtern entging: China setze zwar immer noch auf die von Nordkorea 2009 aufgekündigten und völlig unrealistisch gewordenen Sechsparteiengespräche für eine Atomwaffenabrüstung. Doch man halte sich erstmals andere Möglichkeiten offen, ohne Nordkorea mehr einzubeziehen. "China nimmt eine offene Haltung zu Dreier-, Vierer- oder Fünfergesprächen ein, wenn sie helfen, das Problem der Koreanischen Halbinsel an den Verhandlungstisch zurückzubringen", sagte Wang.

China spüre, dass es sich trotz Unterstützung der UN-Sanktionen mit seiner widersprüchlichen Haltung selbst der Mitsprache beraubt. Es wolle Nordkorea atomar entwaffnen, sei aber nicht bereit, dafür wirklichen Druck auszuüben. Die USA, Südkorea und Japan würden Gegenaktionen immer öfter untereinander absprechen, ohne China zu konsultieren. Selbst Russland bemühe sich um eine internationale Mitarbeit an der Lösung und könnte China als wichtige Kraft ersetzen.

"Pulverdampf liegt in der Luft"

Doch China scheint umzudenken. Wang umschrieb auf der Pressekonferenz mit einem Sprichwort die Sorge angesichts der explosiven Lage: "Schwerter werden gezogen, die Bogen sind gespannt. Pulverdampf liegt in der Luft." Es würde zur Katastrophe für alle Seiten werden, falls die Kontrolle darüber verlorengehe. Wang warnte aber auch Nordkorea und die USA: China werde nicht untätig zuschauen, wenn Nordkoreas Stabilität "grundlegend zerstört" und Chinas Sicherheitsinteressen "ohne Anlass verletzt" würden.

Nach Ansicht des Nordkorea-Forschers Zhang können auch die neuen UN-Sanktionen das Machtzentrum Kims nicht wirklich bedrohen – ihnen fehle die Möglichkeiten zu Gewaltanwendung, wenn die Sanktionen ihr Ziel verfehlen, Nordkorea an den Verhandlungstisch zurückzubekommen und vom Ausbau seines Atomwaffenarsenals abzubringen. Kim fühle sich daher sicher. Nordkoreas Propaganda verspottet die UN-Beschlüsse als "Flohstiche".

Doch der Diktator habe sich bei der Reaktion Südkoreas verrechnet, sagt Zhang. Präsidentin Park Geun-hye hat vor angekündigt, die sich ständig verschärfende Bedrohung nicht mehr hinzunehmen. Die Gefahr muss eher früher als später entschärft werden. Südkorea hat daher nicht nur seine letzten beiden direkten Wirtschaftsverbindungen mit dem Norden gekappt – das Wirtschaftssondergebiet Kaesong und die trilaterale Grenzentwicklungszone zwischen Russland, Nord- und Südkorea –, sondern auch einschneidende Maßnahmen zur Isolierung Nordkoreas beschlossen: 300.000 Soldaten beteiligen sich an den derzeitigen Manövern mit den USA. Der Süden drohte der Führung des Nordens, jede Provokation mit "zehnfacher" Vergeltung zu beantworten. Die Gefahr von Fehleinschätzungen auf beiden Seiten, die zu militärischen Kettenreaktionen führen könnten, sei hoch, warnt Zhang, gerade während der Zeit der Manöver. (Johnny Erling, 9.3.2016)