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Hier ein Blick auf die griechisch-mazedonische Grenze.

Foto: Reuters/Avramidis
Grafik: Der Standard

Athen/Ljubljana – Zwei Tage nach dem EU-Flüchtlingsgipfel haben die Balkanländer die Route aus Griechenland nach Nordwesteuropa komplett abgeriegelt. Eingelassen würden nur noch Flüchtlinge, die in den jeweiligen Ländern selbst Asyl beantragen, teilten Slowenien, Serbien, Kroatien und Mazedonien mit. Während sich Länder wie Italien vor neuen Flüchtlingsrouten fürchten, will Wien Personal von der Grenze abziehen.

Die faktische Schließung der Grenzen zu Mitternacht kündigten die Regierungen in Slowenien und Serbien am Dienstagabend an. Kroatien und Mazedonien folgten mit ihrer offiziellen Ankündigung am Mittwoch in der Früh. Tatsächlich sei aber schon seit Dienstagfrüh kein einziger Flüchtling eingelassen worden, teilte die Polizei am Mittwoch in Mazedonien mit. In diese Länder einreisen dürften nur noch Menschen mit gültigen Pässen und Visa.

13.000 Flüchtlinge nahe Idomeni

Am Grenzübergang nahe dem griechischen Idomeni harren indes rund 13.000 Flüchtlinge in Campingzelten aus. Angesichts von Dauerregen und katastrophaler hygienischer Bedingungen begannen die griechischen Gesundheitsbehörden am Mittwoch mit der Impfung der Kinder. Bis zum frühen Nachmittag verließ zudem eine Handvoll organisierter Busse mit Migranten Idomeni in Richtung Athen.

Vize-Innenminister Ioannis Balafas hatte den Schritt gegenüber dem Radiosender Alpha angekündigt: "Wir bemühen uns, die Flüchtlinge Richtung Süden zu bringen, wo sie menschliche Lebensbedingungen finden können." Die Information, dass Busse in die griechische Hauptstadt zur Verfügung gestellt werden, schien sich unter den Schutzsuchenden aber nur langsam zu verbreiten. Das Interesse, die Zeltstadt zu verlassen, war vorerst eher gering, wie eine APA-Reporterin vor Ort berichtete.

Slowenien konzentriert sich auf Umverteilung

Hoffnung, doch noch über Österreich nach Deutschland zu gelangen, gibt es für die insgesamt bis zu 36.000 in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge vorerst kaum. Künftig dürften Schutzsuchende nur noch nach Slowenien kommen, wenn sie dort Asyl beantragen, oder in Einzelfällen aus humanitären Gründen, erklärte das dortige Innenministerium. Nun wolle sich Slowenien um die Umverteilung der Flüchtlinge aus Griechenland und Italien kümmern. Noch am Donnerstag will die Regierung die Aufnahme für die nächsten zwei Jahre festlegen.

Slowenien verhält sich im Einklang zu den EU-Beschlüssen, sagte eine EU-Kommissionssprecherin. Das Nachbarland Österreichs habe die EU-Kommission und die Länder der Balkan-Koordinierungsgruppe darüber informiert, dass es den Schengen-Grenzkodex an seiner Außengrenze zu Kroatien voll anwende, sagte die Sprecherin am Mittwoch in Brüssel. Dies sei im Einklang mit dem EU-Gipfel vom Februar, der ein Ende des Durchwinkens beschlossen habe.

Dankende Worte an die Staaten des Westbalkans kamen von EU-Ratspräsident Donald Tusk. "Der irreguläre Strom von Migranten über die Westbalkanroute ist zu einem Ende gekommen", twitterte Tusk am Mittwoch. "Das ist keine Frage einseitiger Maßnahmen, sondern von gemeinsamen Beschlüssen der 28 EU-Staaten."

Sorge in anderen Ländern

In Ländern wie Italien und Bulgarien löste die Schließung der Route hingegen die Sorge aus, sie könnten zum neuen Transitland der Flüchtlinge in Richtung Nordwesteuropa werden. Rom kündigte bereits Gespräche mit Albanien an. Die beiden Länder trennt eine 80 Kilometer lange Strecke über die Adria – eine Strecke, über die bereits vor zwanzig Jahren Tausende Albaner kamen.

Weniger Sorgen, ein neues Land auf der Flüchtlingsroute zu werden, macht sich Ungarn. Budapest fürchtete mehr die Reaktion der Flüchtlinge auf die Schließung der Route, die in den Nachbarländern Ungarns – Slowenien, Kroatien und Serbien – festsitzen und verhängte im ganzen Land den Krisenzustand. Wie das Innenministerium am Mittwoch mitteilte, werde das Sicherheitspersonal an der Grenze aufgestockt. An der Grenze zu Rumänien könnte notfalls ein Zaun binnen zehn Tagen errichtet werden.

Österreichische Polizisten abgezogen

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach hingegen von einer "massiven Entlastung" des Flüchtlings-Ansturmes nach der Schließung der Balkanroute und will noch diese Woche 200 Polizisten von der Südgrenze wieder abziehen. Die Kräfte könnten aber unverzüglich wieder aufgestockt werden, wenn dies notwendig werden sollte, sagte Mikl-Leitner am Mittwoch gegenüber der APA.

Die massive Flüchtlingsbewegung über die Türkei nach Griechenland reißt unterdessen nicht ab. Erst am Mittwoch in der Früh erreichten mehr als 500 Flüchtlinge den Hafen von Piräus. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) geht davon aus, dass auf den griechischen Inseln aktuell mehr als 5.000 über die Türkei gekommene Flüchtlinge auf ihre Weiterreise warten. In Piräus halten sich derzeit 3.000 Flüchtlinge auf.

Kritik vom EU-Parlament

Aus dem EU-Parlament kam scharfe Kritik am Plan, die Krise durch die Abschiebung sämtlicher Neuankömmlinge aus Griechenland in die Türkei einzudämmen. Sozialisten, Grüne und Linke äußerten in Straßburg massive Bedenken wegen drohender Massenabschiebungen. Konservative Vertreter kritisierten die umfangreichen Gegenleistungen, die Ankara verlangt. (APA, 9.3.2016)