"Pass auf" oder "komm her": Kohlmeisen sprechen in Lauten.

Foto: Toshitaka Suzuki

Wien/Tokio – Hobbyornithologen und andere Vogelliebhaber haben es vermutlich immer schon geahnt, jetzt ist ein erster experimenteller Beweis erbracht: Vögel können weit mehr kommunizieren als gedacht. Zumindest die Japanische Kohlmeise, eine Singvogelart, die für ihr breites Repertoire an Ruflauten bekannt ist.

Studien mit Primaten und Vögeln haben schon in der Vergangenheit gezeigt, dass auch Tiere bedeutungslose Silben zu sinnvollen "Wörtern" verbinden. Dass Wörter dann aber auch nach syntaktischen Regeln zu Wortgruppen und Sätzen zusammengesetzt werden, hielt man bisher für ein Alleinstellungsmerkmal des Menschen.

Evolutionsbiologen aus Tokio, Uppsala und Zürich haben nun festgestellt, dass auch Japanische Kohlmeisen (Parus minor) syntaktische Regeln entwickelt haben. Je nachdem, in welcher Reihenfolge sie ihre Rufe kombinieren, haben diese eine unterschiedliche Bedeutung und ziehen andere Verhaltensweisen nach sich, berichten die Forscher im Fachblatt "Nature Communications".

Japanische Kohlmeisen haben mehr als zehn verschiedene Rufe in ihrem Lautrepertoire, die sie einzeln oder in Kombination verwenden. In ihrer Studie untersuchten die Biologen, inwiefern verschiedene Ruftypen und -kombinationen eine Bedeutung für die Singvögel hatten.

Dabei unterschieden sie die Rufvarianten "ABC" und "D". "ABC"-Rufe bedeuten in Kohlmeisensprache so viel wie "Pass auf" und werden geäußert, wenn sich ein Sperber oder ein Nesträuber nähert – und somit Gefahr droht. "D"-Rufe hingegen heißen "Komm her". Die Vögel verwenden den Ruf, wenn sie eine neue Futterquelle entdeckt haben oder um den Partner zum Nest zu rufen.

Aufruf, sich dem Feind gemeinsam zu stellen

Die Kohlmeisen kombinieren die beiden Rufvarianten aber auch zu sinnvoller Syntax, wie die Forscher herausfanden. Die Ruffolge "ABC-D" zwitschern die Singvögel etwa dann, wenn sie sich Feinden nähern und gemeinsam versuchen, sie zu vertreiben. Spielten die Biologen den Vögeln diese Lautkombination per Tonband vor, versetzten sie sich in Alarmbereitschaft und rückten zusammen. Wurden die Rufe jedoch in umgekehrter Reihenfolge ("D-ABC") abgespielt, zeigten die Kohlmeisen keine Reaktion.

"Die Studie macht deutlich, dass Syntax nicht einzigartig in der menschlichen Sprache ist, sondern sich unabhängig davon auch bei Vögeln entwickelte", sagt Koautor David Wheatcroft von der Universität Uppsala. Die Regeln der Syntax, die es ermöglichen, aus einem limitierten Vokabular neue Bedeutung zu generieren und somit vielfältige soziale Interaktionen zu koordinieren, könnten auch zur Evolution der menschlichen Sprache beigetragen haben, vermuten die Forscher. (kri, 9.3.2016)