Dämpften die Erwartungen in die Türkei bei Bewältigung der Flüchtlingskrise: Kanzler Faymann (SPÖ) und sein Vize Mitterlehner (ÖVP).

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Wien – Angesichts des EU-Gipfels mit der Türkei, der kommende Woche fortgesetzt werden muss, sah sich die Regierungsspitze am Dienstag rund um den Ministerrat in ihrem Flüchtlingskurs bestätigt. Auch wenn Flüchtlinge, die in Griechenland stranden, künftig in die Türkei rückgeführt und nur mehr Syrer von dort aus in der Union verteilt werden sollen, hielt Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) dazu fest, dass die Republik hier mit Sicherheit nicht in der Pflicht sei. Denn: "Derzeit sind ganz klar andere Staaten gefordert." Sein Argument: Österreich habe im Vorjahr 90.000 Asylwerber aufgenommen, heuer seien 37.500 vorgesehen.

Kein Abweichen um auch nur einen Millimeter

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erklärte, dass Österreich die Tageskontingente beibehalten werde, und versprach: "Wir werden keinen Millimeter abweichen von unseren Positionen." Angesprochen auf die anstehende Visa-Liberalisierung für Türken betonte Mikl-Leitner aber auch, dass "die Türkei als sicheres Herkunftsland deklariert werden muss" – eine Anspielung auf die fragwürdige Menschenrechtslage dort: Zuletzt hat die Staatsspitze regierungskritische Medien unter Zwangsverwaltung gestellt.

Keine Entwarnung in der Krise

Nach einer kurzen Regierungssitzung dämpften auch Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) die Erwartungen an die teilweise noch nicht beschlussreifen Ergebnisse des Gipfels. "Ich kann noch nicht Entwarnung geben", sagte Faymann in Anspielung darauf, dass man etwa mit der Türkei zwar in "guten Gesprächen" über den Grenzschutz sei, aber noch keine dauerhaften Lösungen gefunden habe. Und: Auch wenn die Türkei in Griechenland gestrandete Flüchtlinge zurücknehme, "funktioniert" das von der Union beschlossene Verteilsystem noch immer "nicht" und "nicht schnell genug", hielt er fest.

Kein Verlass auf die Türkei

Dass man angesichts der Menschenrechtslage überhaupt mit der Türkei verhandle, parierte der Kanzler so: "Es ist kein Zugeständnis erfolgt, dass sich die Europäische Union weniger zur Kurdenfrage oder zur Medienfreiheit äußert." Daher müsse man aber auch damit rechnen, dass es in Zukunft Uneinigkeit mit der Türkei geben könnte: "Es ist ein Vorteil, mit der Türkei den Grenzschutz zu organisieren. Nur: Dauerhaft darauf verlassen kann man sich nicht."

Auch Mitterlehner räumte "ein Problem der Verbindlichkeit mit der Türkei" ein – "weil hier immer wieder neue Forderungen auftauchen". Ihm bereite außerdem Kopfzerbrechen, was mit jenen Flüchtlingen passieren soll, die sich bereits jetzt in Griechenland stauen: Bis zu 75.000 würden das bis nächste Woche werden. Der Gipfel habe "noch immer kein definitives Ergebnis" gebracht.

Nicht mehr zweierlei Maß bei Rückführungen

"Zweifelsohne" positiv am Gipfel sei die Formulierung zur Balkanroute, hielt der Vizekanzler fest. Auch Faymann betonte einmal mehr, dass sich Österreichs Haltung bestätigt habe. Beide rechnen damit, dass die Union ihre Kritik an Österreich, wenn es Flüchtlinge nach Slowenien zurückweist, wohl nicht aufrechterhalten könne, sobald die Union Menschen von Griechenland in die Türkei rückführe. (Nina Weißensteiner, 8.3.2016)