Man stelle sich vor: Zwei Partner wollen eine gemeinsame Unternehmung schaffen. Die Einstiegspreise werden genannt, die wechselseitigen Bedingungen aufgeschrieben. Makler werden eingeschaltet, die die verbliebenen unterschiedlichen Auffassungen abarbeiten.

Anwälte klopfen alles juristisch ab, Verträge werden vorbereitet. Schließlich wird noch ein kurzes Treffen vereinbart, um das ganze Vorhaben abzuschließen. Aber bevor es zum Hand-shake und zum Start kommt, meldet einer der Partner noch "neue und ehrgeizige Vorschläge" an: Der andere solle mindestens doppelt so viel Kapital aufbringen – und auch sonst noch einige gravierende Lasten übernehmen.

Er räumt auch ein, dass er jemand ist, der seine Frau verprügelt.

So ähnlich dürfte es sich für viele der 28 Staats- und Regierungschefs angefühlt haben, als sie beim jüngsten EU-Gipfel zur Flüchtlingskrise mit dem türkischen Ministerpräsidentden Ahmet Davutoglu zusammentrafen. Seine Regierung hatte in wochenlangen Gesprächen mit der EU-Kommission einen Aktionsplan ausgearbeitet, wie man den illegalen Zustrom von Flüchtlingen nach Europa regeln könnte, in gemeinsamer Anstrengung.

Insbesondere die deutsche Kanzlerin Angela Merkel drängte auf einen Deal mit Ankara. Das Ziel war ein edles: Nach der Ausweitung des Flüchtlingsdramas, nach knapp 900.000 Menschen, die 2015 im Schlauchboot über die Ägäis im Chaos nach Griechenland kamen, nach tausenden Toten sollte endlich eine Wende zum Besseren eingeleitet werden.

Die Grundformeln dafür waren relativ einfach: Der illegale Zustrom solle rigoros beendet, dafür im Gegenzug die legale (und gefahrlose) Aufnahme von Flüchtlingen ohne Schlepperhilfe organisiert werden. Die EU würde ihr "Management" der Migration auf Unionsgebiet umkrempeln, Ankara zudem drei Milliarden Euro für die Betreuung von Syrern überweisen.

Dafür sollte die Türkei alle illegalen Migranten ohne Aufenthaltsrecht zurücknehmen, könnte dafür im Gegenzug im Verhältnis eins zu eins ihre "eigenen" Flüchtlinge direkt per Flugzeug nach Europa bringen. Sie müsste aber die EU-Außengrenze in der Ägäis dichtmachen. Das alles sah nach einem vernünftigen, fairen Deal aus – bis Davutoglu die EU-Partner mit "neuen und ehrgeizigen Vorschlägen", wie er sagte, fast von den Stühlen fegte.

Nicht drei Milliarden Euro auf zwei Jahre, sondern weitere drei dann 2018 – samt einer Vervielfachung der Zahl an Syrern, die er in den kommenden Jahren in die EU bringen will.

Und er wollte noch einiges mehr, was vor allem für die skeptische französische Regierung schwer zu nehmen war: Frankreichs Präsident François Hollande war auch der Einzige beim Gipfel, der laut und deutlich sagte, dass man sich die Grundrechtsverletzungen in der Türkei – wie den Polizeisturm auf eine Zeitungsredaktion – nicht bieten lassen werde, Flüchtlingspakt hin oder her.

"Besser ein schlechter Deal" um ein paar Milliarden mehr "als gar keiner", lautete die deutsche Devise. Das sahen aber nicht alle bei den EU-28 so. Irgendwann wird der Deal mit Ankara klappen. Die Flüchtlingskrise wird damit aber noch lang nicht gelöst sein. Es zeigte sich deutlich, welch ein Fehler es von Merkel war, ganz auf eine Türkei-Lösung zu setzen. Präsident Erdogan darf glauben, dass er sich (fast) alles erlauben kann. Die Europäer kuschen. Die Umsetzung jedes Plans mit ihm wird ein harter Weg sein. (Thomas Mayer, 8.3.2016)