Illustration: Johannes Pernerstorfer

MMag. Dr. Wolfgang Tichy ist auf IT-Recht und New Technologies spezialisert.

Foto: Schoenherr

Spätestens seit dem enormen Erfolg von Airbnb und Uber sind Online-Plattformen regelmäßig in den Schlagzeilen. Umsätzen und Unternehmenswerten in Milliarden-US-Dollar-Höhe stehen zwar noch keine nachhaltigen Gewinne gegenüber – dass solche Plattformen aber kein vorübergehendes Phänomen sind, sondern unsere Wirtschaft nachhaltig verändert haben, ist mittlerweile klar.

Etablierte Player kämpfen um ihre Marktanteile in den betroffenen Branchen und fordern einen fairen rechtlichen Rahmen, der auch diese neuen Geschäftsmodelle erfasst. Konsumenten freuen sich über die neuen Angebote, sind sich bisher aber der damit einhergehenden (wirtschaftlichen und rechtlichen) Risiken oft nicht bewusst.

Sharing is (not always) caring

Das dahinterstehende wirtschaftliche Modell wird oft als "Sharing Economy" bezeichnet. Doch die so harmlos klingende Übersetzung "Tauschwirtschaft" ist nicht nur falsch, sie ist auch gefährlich. Sie verschleiert nämlich, worum es bei diesem Modell wirklich geht: (Vorwiegend) private Abnehmer beziehen Leistungen direkt von (vorwiegend) privaten Anbietern – und zwar entgeltlich.

Die dazwischen stehende Online-Plattform bringt nur Angebot und Nachfrage zusammen, wird aber selbst nicht Vertragspartner der eigentlichen Leistung und verdrängt dabei gleichzeitig die bisher etablierten Intermediäre (wie z. B. Reisebüros oder Taxifunkzentralen).

Die im englischsprachigen Raum ebenfalls verwendete Bezeichnung "Collaborative Economy" trifft es daher schon eher: Es geht um die gemeinsame zeitlich begrenzte Nutzung von Ressourcen, die nicht dauerhaft benötigt werden, in den genannten Beispielen Wohnraum und Fahrzeuge.

Neue Modelle

Aufgrund des rasanten Wachstums dieser Geschäftsmodelle wurden die damit einhergehenden rechtlichen Probleme schnell sichtbar: Auf beiden Seiten der Leistungserbringung etablieren sich neue Abläufe, die – zumindest auf den ersten Blick – von den bestehenden Rechtsordnungen nicht erfasst werden.

Der schon fast reflexartige Ruf nach neuen Vorschriften ist jedoch nicht immer berechtigt. Die bestehenden Rechtsvorschriften lassen sich nämlich durchaus auch auf die neuen Geschäftsmodelle anwenden, und das in weiten Teilen auch sachgemäß.

Allerdings stellt sich natürlich schon die Frage, ob die neuen Geschäftsmodelle ein Wirtschaften außerhalb des gesetzlich erlaubten Rahmens erleichtern – das müsste verhindert werden – und wie der mit guten Gründen über Jahrzehnte aufgebaute Schutz von Abnehmern sichergestellt werden kann.

Bei dieser Gelegenheit darf nicht verabsäumt werden, zu hinterfragen, ob alle Einschränkungen und Vorschriften in besonders stark reglementierten Branchen noch zeitgemäß sind.

Die von den etablierten Anbietern geforderte faire Gleichbehandlung neuer Geschäftsmodelle sollte nämlich nicht dadurch erfolgen, dass unüberlegt starre Regularien auf neue Geschäftsmodelle erweitert werden, sondern dass zunächst analysiert wird, in welchem Umfang diese Regularien überhaupt noch notwendig sind.

Bestehende Vorschriften

Die Praxis zeigt, dass sich "private" Anbieter auf solchen Plattformen oft gar keine Gedanken darüber machen, dass eine Vielzahl von Vorschriften auf ihre Online-Geschäfte anwendbar sein kann. Hier geht es um Themen wie Einkommenssteuer, Umsatzsteuer oder die Abfuhr der Ortstaxe bei Vermietung.

Es geht um gewerberechtliche Vorschriften, Auflagen und Sicherheitsstandards, die zum Schutz der Abnehmer eingeführt wurden. Es geht um privatrechtliche Themen wie Zulässigkeit der (Unter-)Vermietung bei Mietwohnungen oder sogar der Vermietung der eigenen Eigentumswohnung ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer des Hauses (der OGH vertritt ja die Position, dass eine solche Zustimmung notwendig ist).

Nach § 1 Abs. 2 Gewerbeordnung wird eine Tätigkeit gewerbsmäßig ausgeübt, wenn sie selbstständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen – gleichgültig, für welche Zwecke dieser bestimmt ist. Abs. 4 stellt klar, dass auch eine einmalige Handlung als regelmäßige Tätigkeit gilt, wenn nach den Umständen des Falles auf die Absicht der Wiederholung geschlossen werden kann oder wenn sie längere Zeit erfordert.

Man ist also auch als "privater" Anbieter sehr schnell im Anwendungsbereich der Gewerbeordnung. Die Einhaltung der damit einhergehenden Auflagen ist aber auch für den Anbieter sinnvoll, weil sie ihn vor Ansprüchen eines Abnehmers im Schadensfall schützen kann (z. B. Versicherungspflicht), die ruinös sein können.

Rasch ist man Unternehmer

Auch als vermeintlich "privater" Anbieter kann man gegenüber dem Abnehmer als Unternehmer beurteilt werden: Unternehmer ist, wer ein Unternehmen betreibt. Ein Unternehmen ist jede auf Dauer angelegte Organisation selbstständiger wirtschaftlicher Tätigkeit, mag sie auch nicht auf Gewinn gerichtet sein.

Es geht um die planmäßige Absicht auf eine kontinuierliche entgeltliche Tätigkeit. Ist diese Absicht gegeben, können selbst einmalige Handlungen, die planmäßig in Wiederholungsabsicht vorgenommen werden, unternehmensbezogen sein, wenn sie in der Folge auch keine tatsächliche Fortsetzung finden.

Als Unternehmer hat man aber weitreichende Verpflichtungen Konsumenten gegenüber und beispielsweise nicht die Möglichkeit, eigene Gewährleistungspflichten einzuschränken oder auszuschließen.

Aus Sicht der Nutzer sind die Vorteile der Angebote solcher Online-Plattformen mannigfaltig: Attraktivität durch Einsatz zeitgemäßer Technologien, oft schon fast globale Angebotsvielfalt und natürlich regelmäßige günstigere Preise als bei etablierten Anbietern. Dass man als Nutzer einer solchen Plattform und dann Abnehmer einer Leistung oft weniger geschützt ist (z. B. weil sich der Anbieter nicht an gewerberechtliche Vorschriften, Auflagen und Sicherheitsstandards hält), ist vielen Abnehmern nicht bewusst.

Doch selbst wenn einem dieser Umstand bewusst wird, wird meiner Einschätzung zufolge das Preisargument immer noch überwiegen, und Abnehmer werden in großem Umfang das damit einhergehende Risiko in Kauf nehmen, was letztlich zu einer großflächigen Senkung des Schutzniveaus führen kann.

Die verstärkte Anwendung bestehender und gegebenenfalls neu zu schaffender Vorschriften auf "private" Anbieter wird aber auch zu einer Erhöhung der Kosten dieser Anbieter führen, die diese letztlich an die Abnehmer weitergeben werden.

Die EU-Kommission wird ihre Leitlinien zur Anwendung bestehender EU-Gesetze auf die "Sharing Economy" voraussichtlich Mitte 2016 vorlegen und auch eine Prognose zur "Sharing Economy 2030" wagen. Es ist jedenfalls zu begrüßen, dass dieses Thema auf europäischer Ebene behandelt wird. (Wolfgang Tichy, Wirtschaft & Recht, 12.3.2016)