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Im glitzernden südkoreanischen Pop-Business grassiert der sexuelle Missbrauch junger Talente.

Foto: EPA/JUNG UI-CHEL

Zuckersüße Stimmen, knappe Miniröcke, anzügliche Tänze: Koreanische Girlgroups zählen zu den beliebtesten in ganz Asien. Die Glitzerwelt des K-Pop hat jedoch auch ihre Schattenseiten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Südkoreas Unterhaltungsindustrie viele Nachwuchstalente sexuell ausbeutet. Wie unverhohlen und systematisch das zuweilen geschieht, wurde nicht zuletzt dank der Journalistin Kim Myo-sung publik.

Im Fernsehen berichtete Kim von einer weitverbreiteten Liste, die von Mittelsmännern bei einflussreichen Geschäftsmännern verteilt wird. Dutzende Girlgroup-Mitglieder werden darauf angepriesen, geordnet nach Popularität und jeweils mit Preis versehen. Eine Vertragsklausel würde die Frauen im Falle einer ungewollten Schwangerschaft dazu verpflichten, sich im Ausland einer Abtreibung zu unterziehen.

"Sponsors" werden im Koreanischen die Männer euphemistisch genannt, die sich vorzugsweise Nachwuchssängerinnen und -schauspielerinnen aussuchen, um für Geld, Luxusartikel oder Castingaufträge sexuelle Dienste einzufordern. Laut einer Umfrage der südkoreanischen Menschenrechtskommission von 2010 gaben 55 Prozent aller befragten Schauspielerinnen an, solche sexuellen Angebote erhalten zu haben. Die Hälfte von ihnen hätte im Fall einer Absage berufliche Nachteile erlitten.

Mehrseitiger Abschiedsbrief

Solche Vorwürfe sind spätestens seit dem Suizid von Jang Ja-yeon im Jahr 2009 bekannt. In einem siebenseitigen Abschiedsbrief schilderte die damals 27-Jährige, wie ihr Manager sie regelmäßig misshandelte und für sexuelle Dienste an seine Geschäftspartner weiterreichte. Infolgedessen wurden gegen mehr als 20 Männer polizeiliche Untersuchungen eingeleitet, darunter die Vorstände mehrerer großer Tageszeitungen sowie etliche Fernsehproduzenten. Verurteilt wurde jedoch nur Jangs Manager.

Dass junge Frauen besonders anfällig für sexuelle Ausbeutung sind, wird auch durch die paternalistischen Strukturen der südkoreanischen Unterhaltungsindustrie begünstigt. "Labels behandeln ihre Bands von Beginn an wie Konsumgüter. Sie wollen auf keinen Fall in eine Situation kommen, in der eine Band unersetzlich wird", schreibt Euny Hong in ihrem vielbeachteten Buch "The Birth of Korean Cool".

14-Stunden-Plan während Ausbildung

Jedes Jahr bewerben sich mehrere hunderttausend minderjährige Mädchen für die Castings der großen Produktionsfirmen. Bevor die Nachwuchsmusikerinnen jedoch erstmals eine Bühne betreten, werden sie jahrelang in militärisch strengen Ausbildungscamps unterrichtet: Tanzchoreografien, Medienschulungen, aber auch Fremdsprachen stehen auf dem 14-Stunden-Plan. Oftmals lassen sich die Jugendlichen in Knebelverträgen auf mehr als zehn Jahre verpflichten. Labels investieren noch vor der ersten Single bis zu fünfstellige Summen in ihre Bands. Die Nachwuchstalente wissen um ihre Austauschbarkeit. Wer aufmuckt, fliegt.

Selten passiert es daher, dass Sängerinnen von sich aus das Tabu brechen und über den sexuellen Missbrauch innerhalb der Industrie reden. Mitte Jänner hat die Sängerin Jisoo von der Girlgroup Tahiti auf ihrem Instagram-Account eine Chatkonversation mit einem Mittelsmann gepostet. Dieser habe ihr umgerechnet mehrere tausend Euro für ein "einmaliges Treffen mit einem Kunden" angeboten. Ganz offensichtlich hat sich der Mann jedoch das falsche Opfer ausgesucht: Wie sich herausstellte, ist Jisoos Vater Polizeikommissar. (Fabian Kretschmer aus Seoul, 8.3.2016)