Peter Westenthaler fühlt sich verfolgt: Sein Prozess in den Causen Bundesliga und Lotterien gehe nun in das siebente Jahr mit "persönlichem und wirtschaftlichem Druck", er sei eine "große Belastung". Er wundere sich schon gar nicht mehr über die Justiz, sagte er.

Der implizite Vorwurf der Politjustiz geht ins Leere. Dass die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel ausgeschöpft hat und der Oberste Gerichtshof den Prozess in die zweite Runde schickt, hat nicht mit Willkür, sondern mit einem korrekten rechtsstaatlichen Vorgang zu tun.

Man sollte im Gegenteil froh darüber sein, dass die Justiz durch den Instanzenzug die interne Kontrolle ihrer Entscheidungen schon eingebaut hat. Was dagegen bemerkenswert ist: Bei zahlreichen "Promiprozessen" scheint es, als sei die erste Instanz häufig nicht in der Lage, Urteile zu fällen, die "halten": Neben Westenthaler fallen einem dazu etwa die Causen Bawag, Ernst Strasser, Hannes Kartnig oder auch Uwe Scheuch ("Part of the game"-Affäre) ein.

Mehr Mut zur Entscheidung

Das hat freilich kaum mit Schlamperei oder inhaltlicher Überforderung der Richter zu tun. Im Gegenteil: In Promifällen stehen zumeist hochspezialisierte Korruptionsstaatsanwälte einer Armada von Spitzenverteidigern gegenüber. Hier wird jedes Rechtsmittel genutzt, jede juristische Spitzfindigkeit geübt – die "Promis" können sich den sündteuren Marsch durch alle Instanzen auch leisten.

Wichtiger für das Vertrauen in den Rechtsstaat wäre, wenn in der Justiz, gerade in brisanten und prominenten Fällen, mehr Mut zur Entscheidung herrschen würde – etwa im Fall Karl-Heinz Grasser. Bereits 2012 hatte das Justizministerium eine baldige, definitive Entscheidung über eine Anklageerhebung angekündigt. Bis heute gibt es diese nicht. Das lässt sich zwar alles begründen: langes Warten auf Akten aus Liechtenstein, umtriebige Anwälte, die alles, was sich bewegt, beeinspruchen. Dennoch ist ein derart zögerliches Vorgehen höchst unbefriedigend.

Das richtige Rüstzeug

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ausbildung: Hier wurde zwar zuletzt einiges reformiert, dennoch ist noch viel zu tun. Junge Richter und Staatsanwälte müssen etwa besseres psychologisches – und auch psychiatrisches – Rüstzeug mitbekommen. Sich ausschließlich auf die Einschätzung von Gutachtern stützen zu müssen ist vor allem in Fällen, in denen Angeklagten der Maßnahmenvollzug droht, zu wenig. Richter müssen erkennen können, ob es einem Gutachten etwa an Sorgfalt und Qualität mangelt.

Nicht zuletzt besteht Aufholbedarf in den Fächern politische Bildung beziehungsweise Zeitgeschichte: Dass eine Staatsanwältin ein Verfahren wie jenes gegen die Aula mit einer derart skandalösen Begründung einstellt ("nachvollziehbare Belästigung der Bevölkerung durch die Befreiung der KZ-Häftlinge in Mauthausen"), darf nie wieder vorkommen. Das muss Konsequenzen haben. Das sind wahre Herausforderungen für Österreichs Justiz – sicher nicht der Fall Westenthaler. (Petra Stuiber, 6.3.2016)