Wien – Bertrand de Billy im großen Musikvereinssaal – das war einmal ein vertrauter Anblick, als er von 2002 bis 2010 Chefdirigent des ORF-Radiosymphonieorchesters Wien war und hier neben einer deutlichen Hebung des Niveaus für eine spannende Belebung des Repertoires sorgte.

Nun kam de Billy als Gast ans Pult der Wiener Symphoniker, um anhand zweier Raritäten und eines Evergreens französischen Esprit unter die Leute zu bringen: Für Henri Dutilleux hatte er sich schon mit dem RSO intensiv eingesetzt. Für dessen 2. Symphonie Le Double schwor er nun die Symphoniker ganz auf einen schimmernd sinnlichen Sound ein und fand eine perfekte Balance zwischen dem musikantischen Klassizismus und den reizvoll irisierenden, bisweilen geradezu flächigen Klängen des Stücks aus den 1950er-Jahren.

Eine kaum weniger eigentümliche Mischung aus Traditionsbewusstsein, das sich auch als Dialog mit der Konvention beschreiben ließe, und erfinderischer Lust verströmt das 5. Klavierkonzert von Camille Saint-Saëns, in dem sich die Schwüle des Fin de Siècle mit einem exotischen Kolorit zwischen orientalischen und fernöstlichen Gewürzen vermengt. Auch hier verband das Orchester klangliche Sinnlichkeit mit Klarheit, ließ sich vom Dirigenten kontrolliert entfesseln.

Mit Geschmack und heroischem Aplomb näherte sich Solist Bertrand Chamayou dem Konglomerat an – und stachelte den Saal mit seiner fulminanten Brillanz zu Beifallstürmen an, für die er sich mit etwas eher Leisem und in sich Gekehrtem, nämlich Maurice Ravels Pavane pour une infante défunte, bedankte.

Der an- und abschließende Boléro trug ebenfalls de Billys Handschrift einer akribischen Disposition, die sich im umsichtig eingerichteten Crescendo-Bogen über das ganze Stück ebenso zeigte wie in der Mischung zwischen Straffheit und kleinen Freiheiten für die Musiker im hervorragend disponierten und motivierten Orchester. Ein geistvolles, heftig akklamiertes Vergnügen. (daen, 7.3.2016)