Exporterstattung auf Agrarprodukte wird es keine mehr geben, sagt Elisabeth Köstinger.

Foto: Robert Newald

STANDARD: Die EU wird oft dafür kritisiert, dass sie in Europa hergestellte Agrarprodukte, womöglich mit finanzieller Unterstützung, nach Afrika exportiert. Damit ist die EU-Agrarpolitik auch schuld daran, dass es den Bauern im Süden so schlecht geht – und dass sich junge Männer auf den Weg nach Europa machen.

Köstinger: Dieser Vorwurf an die EU-Agrarpolitik stimmt schon lange nicht mehr. Die EU hat schon vor Jahren beschlossen, Exporterstattungen zu verbieten. Denn es ist wahr: Das hat zu Verwerfungen geführt, wenn Überschüsse in der EU, zum Beispiel bei Getreide, Mais oder Milch, billig auf anderen Märkten, vor allem in Afrika, verkauft wurden. Diese Waren aus der EU konnten, weil es eine Exporterstattung an die Bauern in der EU gab, so billig exportiert werden, dass lokale afrikanische Bauern damit nicht konkurrenzfähig waren. Aber das machen wir schon lange nicht mehr. Erstattungen, also Förderungen, damit etwas zu niedrigeren Preisen auf Exportmärkten verkauft werden kann, wurden schon vor längerer Zeit abgeschafft. Exporte von landwirtschaftlichen Gütern dürfen seither nicht mehr subventioniert werden.

STANDARD: Ja, aber dann wird es von Großmächten wie den USA praktiziert.

Köstinger: Diesbezüglich hat es bei der letzten Ministerratskonferenz der Welthandelsorganisation im Dezember einen Durchbruch gegeben. Exporterstattungen bezüglich Asien und Amerika waren da ein Thema, und man hat sich darauf verständigt, dass Exportunterstützungen für entwickelte Staaten ab sofort und für Entwicklungsländer ab 2018 nicht mehr erlaubt werden. Das ist ein wichtiger Schritt. Die Konkurrenz der reichen Länder auf den Agrarmärkten des Südens wird also aufhören.

STANDARD: Warum gibt es dann Berichte darüber, dass auf afrikanischen Märkten Hühnerteile aus der EU auftauchen? Hühnerteile, die hier keinen Abnehmer finden, werden dort billigst verscherbelt.

Köstinger: Das stimmt so nicht. Diese Hühnerteile, die in Europa nicht so gerne gegessen werden – beispielsweise Flügel oder Füße, weil wir lieber Brust und Keule essen –, werden vorrangig in den asiatischen Raum exportiert. Denn dort sind diese Teile eine Spezialität. Das hängt mit den jeweiligen Konsumgewohnheiten zusammen. Und wenn die EU Milchpulver exportiert, weil wir bei der Milch derzeit Überschüsse produzieren, dann wird dafür nur der Weltmarktpreis erzielt. Daran ist ja nichts Verwerfliches. Aber eine Exporterstattung wird es auf kein Agrarprodukt mehr geben – auch wenn es in der EU Überschüsse gibt.

STANDARD: Wenn also der Agrarbereich im Süden nicht mehr durch den starken Norden so behindert wird, wie kann die Entwicklung dort gefördert werden?

Köstinger: Es ist klar, dass die Unterstützung des Landwirtschaftssektors bei der Armutsbekämpfung zentral ist. Bis zu 90 Prozent der Bevölkerung in vielen Entwicklungsländern hängen von Landwirtschaft ab. Dort, wo zumindest kein Krieg oder kein Bürgerkrieg herrscht, gibt es meistens weitverbreitete Korruption. Da mangelt es oft massiv an der nötigen Rechtssicherheit. Man braucht aber verlässliche Partner vor Ort. Wenn es nicht die Regierungen sind, weil die zu korrupt sind, dann wird versucht, mit NGOs zusammenzuarbeiten, obwohl die manchmal auch nicht die Allheilsbringer sind.

STANDARD: Nun haben Jahre, ja, Jahrzehnte von Entwicklungshilfe nicht viel gebracht.

Köstinger: Hilfe zur Selbsthilfe ist, denke ich, noch immer das beste Modell, und das heißt, dass die Landwirtschaft in diesen Ländern gestärkt werden muss. Das klingt einfach, ist aber ungeheuer komplex. Wasserversorgung, Brunnenbau, Know-how, entsprechende Pflanzenzüchtungen, landwirtschaftliche Ausbildung. Die EU, die der größte Geber von Entwicklungshilfe in der Welt ist, hat da schon viele Projekte. Da gibt es ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Im EU-Parlament wird auch immer wieder verlangt, dass die einzelnen EU-Staaten ihren Verpflichtungen zur Entwicklungszusammenarbeit mehr nachkommen. Bekanntlich ist Österreich dabei alles andere als vorbildlich.

STANDARD: Noch zur Ernährungssicherheit in der Welt: Welche Rolle sollte Europa da spielen?

Köstinger: Wenn wir der Welt bis 2050 Ernährungssicherheit bieten wollen, dann muss die Lebensmittelproduktion um 70 Prozent gesteigert werden. Der Fleischkonsum wird sich verdoppeln, der Getreidekonsum wird sich um etwa 75 Prozent erhöhen. Wichtig ist da die Förderung der nachhaltigen Lebensmittelproduktion in den Entwicklungsländern selbst. Nicht Europa soll die Welt ernähren, sondern Europa muss helfen, dass sich die Welt ernähren kann. (Johanna Ruzicka, 7.3.2016)