Berlin– In der Volkswagen-Abgasaffäre gerät nun Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch stärker in den Fokus. Laut "Bild am Sonntag" kommt Pötsch in Erklärungsnot, weil er – damals noch als Finanzvorstand – von den Manipulationen bereits knapp zwei Wochen vor deren Bekanntmachung gewusst habe. In einer Sitzung des Konzernvorstandes sei Pötsch am 8. September 2015 über die Betrugssoftware informiert worden, mit der Abgaswerte von Diesel-Modellen geschönt wurden, berichtete die Zeitung ohne Angabe von Quellen. Börsennotierte Unternehmen müssen kursrelevante Informationen in einer Mitteilung ad hoc veröffentlichen. Dazu habe Pötsch in der Sitzung aber geschwiegen und nicht vor möglichen Folgen gewarnt, berichtete das Blatt. Am 20. September ging VW an die Öffentlichkeit. Dem Konzern stehen zahlreiche Klagen ins Haus, auch weil Aktionäre nach eigener Ansicht zu spät über den Fall informiert wurden.

Der Vermerk aus der Vergangenheit

Volkswagen sei davon überzeugt, die kapitalmarktrechtlichen Anforderungen vollumfänglich erfüllt zu haben, sagte ein VW-Sprecher. "Zu den Inhalten von Vorstandssitzungen äußert sich Volkswagen grundsätzlich nicht." Der Konzern werde in der zweiten April-Hälfte über die Untersuchung in dem Fall berichten.

Früheren VW-Angaben zufolge wurde bereits im Mai 2014 und damit fast eineinhalb Jahre vor Bekanntwerden des Skandals ein erster Vermerk an den damaligen Konzernchef Martin Winterkorn erstellt. Es sei aber unklar, ob dieser den Vermerk, der seiner umfangreichen Wochenendpost beigelegt worden sei, überhaupt zur Kenntnis genommen habe. Im November 2014 habe es eine weitere Notiz an ihn gegeben. Später wurde auch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich mit den Problemen von VW mit Abgasgrenzwerten in den USA befasste. Am 27. Juli 2015 schließlich hätten Mitarbeiter in Anwesenheit von Winterkorn und VW-Markenchef Herbert Diess über die Diesel-Thematik gesprochen.

VW-Markenchef erwartet Übereinkunft mit US-Behörden

Diess sagte nun der "Wolfsburger Allgemeinen Zeitung" (Samstagausgabe), er sehe gute Chancen, "in den nächsten Monaten" eine Übereinkunft mit den US-Behörden zu erzielen. US-Bezirksrichter Charles Breyer hatte VW und der amerikanischen Umweltbehörde EPA eine Frist bis zum 24. März gesetzt. Bis dann müssen sie mitteilen, ob sie sich auf ein Vorgehen zur Reparatur der manipulierten Dieselautos geeinigt haben. VW-Chef Matthias Müller sprach dagegen nicht von einer Frist, sondern von einem Gesprächstermin.

Diess bekräftigte zugleich Forderungen nach weiteren Einsparungen in der größten Konzernsparte, nachdem Seat, Skoda, Audi und Porsche Erfolge eingefahren hätten. "Die Marke Volkswagen muss dagegen noch einiges tun, um in den nächsten Jahren profitabler zu werden." Es wird damit gerechnet, dass Diess seine Pläne zur Effizienzsteigerung am Dienstag bei einer Betriebsversammlung in Wolfsburg vor Tausenden Mitarbeitern erläutert. Auch Konzernchef Müller, der Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil sollen dort Reden halten. (Reuters, 6.3.2016)