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Impressionen vom elf Tage dauernden Volkskongress. Die Anstecknadeln zeigen die fünf ehemaligen und das aktuelle politische Oberhaupt.

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Auch der Fünfjahresplan wird dort vorgestellt. Auf 147 Seiten werden die Jahre 2016 bis 2020 geplant.

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Zur Eröffnung gab es auch zahlreiche musikalische Einlagen.

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Militärische Delegierte posieren für ein Foto.

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Peking – Premier Li Keqiang verbreitete über die Wirtschaft seines Landes viel Gutes. 2015 war das Wachstum von 6,9 Prozent "schneller als in den meisten anderen großen Volkswirtschaften der Welt." Um so mehr gelte das für die geplanten "6,5 Prozent oder mehr", um die Chinas Wirtschaft jährlich bis 2020 wachsen soll. Weil China die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ist, "zählt heute jedes Prozent mehr, um das wir wachsen, soviel wie 1,5 Prozent vor fünf Jahren. Und soviel wie 2,5 Prozent vor zehn Jahren."

Doch der Premier warnte gleich zweimal; dass die chinesische Wirtschaft weiter unter hohem "Abwärtsdruck" steht. Die kommenden fünf Jahre seien eine besonders kritische Zeit.

Die Volksrepublik dürfe nicht, wie andere Entwicklungsländer vor ihr in die berüchtigte "Falle des mittleren Einkommens" stürzen. Die tut sich immer auf, wenn sich in einem Land im Zuge seiner Entwicklung etwa Arbeitskosten so verteuern oder andere Faktoren sich so verschlechtern, dass es in alter Weise nicht mehr weitermachen kann. Li wählte das Bild eines Bootes: "Es ist so als wenn wir gegen den Strom fahren. Entweder kämpfen wie uns nach vorne durch, oder wir werden abgetrieben."

Umstellung auf Binnenwachstum

Die bildhafte Warnung kommt in einem Moment, wo China seine Wirtschaftsweise auf nachhaltiges Binnenwachstum umstellt, sich aber des Erfolges nicht sicher ist. Peking hofft drei neue Zugpferde für seine künftige wirtschaftliche Entwicklung satteln zu können: Statt weiter auf Exporte, staatliche Investitionen und Billigarbeit zu setzen soll die Konjunktur über Konsum, Entwicklung der Dienstleistungen, Hightech und Innovationen angetrieben werden.

"Augenscheinlich ist die Ersetzung der alten Antriebkräfte für Wachstum und Wende eine schmerzhafte Anpassung", gestand Li ein. "Aber wenn es China schafft kann es seine Wirtschaft beleben und wieder dynamisch wachsen."

China braucht mittelhohes Wachstum von jährlich mindestens 6,5 Prozent, um ein Versprechen der Partei zu erfüllen, das Nationalprodukt des Landes und das Pro-Kopf-Einkommen 2010 bis 2020 verdoppeln zu können. Der Premier sagt, er brauche das hohe Wachstum, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Mindestens "50 Millionen und mehr" müssten bis 2020 entstehen. 2016 drängen als neuer Rekord allein 7,65 Millionen Hochschulabsolventen auf den Arbeitsmarkt.

Mehrere Millionen Arbeitslose durch Umstellungen

Der Premier streifte aber andere Probleme nur, die auf China mit dem Abbau der Überkapazitäten in Dutzenden Bereichen zukommen, etwa bei Stahl, Kohle, Zement, Glas oder Werften. Offiziell rechnet Peking mit 1,8 Millionen Arbeitslosen, wenn bis 2020 rund 150 Millionen Tonnen Stahl und eine halbe Milliarde Tonnen Kohle an überschüssigen Produktionskapazitäten abgebaut werden.

Doch das ist untertrieben. Nach Untersuchungen, die gerade Abgeordnete des Beraterparlament anstellten, wird der Abbau von Überkapazitäten allein in einem halben Dutzend Krisenbranchen zum Verlust von rund zehn Millionen Arbeitsplätzen führen. Li kündigte zumindest an, dass Peking dieses Jahr 100 Milliarden Yuan (14 Milliarden Euro) für Umschulungen und andere Übergangshilfen zur Verfügung stellen wird.

Neuer Fünfjahresplan fertig

China muss sich anders als bisher entwickeln, aber es muss auch wachsen. Das war immer wieder die Botschaft, die am Samstag morgen 5000 Abgeordnete und Delegierte aus den beiden Kammern des Parlaments zu hören bekamen. Gemeinsam strömten sie in die Große Halle des Volkes zur Eröffnung des elf Tage dauernden Volkskongress. Neben den Regierungs- und Haushaltsberichten bekamen sie einen 147 Seiten-Entwurf zum neuen Fünfjahrplan 2016 bis 2020.

Dazu gab es ein sechsseitiges Faltblatt, dass die Schlüsselpunkte auf einen Blick auflistete. Das war nicht die einzige Neuerung. Im Unterschied zu früheren Regierungsberichten kam Li mit weniger ideologischen Phrasen aus. Auf andere Themen außer der Wirtschaft von der Sozialpolitik bis zur Außenpolitik ging er kaum ein.

Peking setzt weiter auf Großprojekte in der Infrastruktur, um Wirtschaft und Beschäftigung anzukurben. Konkret wurde der Ausbau etwa der Hochgeschwindigkeitsbahnen von derzeit 19.000 Kilometer bis 2020 rund 30.000 Kilometer genannt, die dann 80 Prozent aller Städte verbinden sollen. Forciert soll auch das Straßennetz und Autobahnen ausgebaut werden. Beide Maßnahmen banden auch in den Krisen 1998 und 2009 viele Millionen Arbeitskräfte und trieben die Konjunktur an.

Arbeitsproduktivität soll gesteigert werden

Neu ist, dass der Staat erstmals konkrete Kennziffern für die Steigerung der Arbeitsproduktivität setzt. Pro Kopf soll sie um 6,6 Prozent jährlich erhöht werden von derzeit 87000 Yuan auf 2020 dann 120.000 Yuan (16.700 Euro) pro Kopf.

Die Umkehr in der Wirtschaftsentwicklung fordert ihren Preis. Peking will mehr innovative Unternehmen, Dienstleister und Startups durch Steuerentlastungen fördern. Es plant dazu die Gewerbesteuern sukzessiv zu streichen, zugunsten der Mehrwertsteuer.

Ab 1. Mai werden dazu Pilotprojekte beginnen. Peking will auch Investitionen in R&D beschleunigen helfen, um die Finanzierung von Forschung und Entwicklung bis 2020 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern. China nimmt für all das ein höheres Haushaltsdefizit in Kauf. Die Verschuldung soll 2016 um 560 Milliarden Yuan (80 Milliarden Euro) auf eine Gesamthöhe von 2,18 Billionen Yuan steigen.

Zum erstenmal erreicht China damit die Verschuldungsgrenze von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Li nennt das "notwendig, machbar und sicher." Offenbar ist die neue Verschuldung auch ein Grund, warum der Verteidigungshaushalt erstmals seit sechs Jahren nicht mehr zweistellig wächst, sondern 2016 nur um 7,6 Prozent steigen darf.

Li kündigte zugleich finanzpolitische Liberalisierungsschritte an, etwa bei den Zinsen, versprach mehr Markt in der Währungspolitik und Reformen der Aktienmärke. Er ging aber nicht auf die Ursachen des Börsencrash ein. Die angekündigten Reformen der Staatsunternehmen bleiben unklar. Im Fünfjahresplan erhalten sie besonderen Bestandschutz zugsichert. Große Reformen sind im Fünfjahresplan augenscheinlich nicht vorgesehen. (Johnny Erling aus Peking, 5.3.2016)