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Und wie läuft – abgesehen von den Verrenkungen in der Flüchtlingspolitik - das Rennen um die Hofburg so? Am auffälligsten ist in dieser Anfangsphase das Interesse an der Frage, ob der Bundespräsident einen Heinz-Christian Strache auch dann angeloben müsste, wenn gewisse Umstände es nicht zu weit hergeholt erscheinen ließen. In diesem Punkt hat sich Alexander Van der Bellen ein Alleinstellungsmerkmal gesichert. Ich würde nicht den Vorsitzenden einer Partei angeloben, die das vereinte Europa zerstören will. Das heißt: Strache unter diesen Umständen nein", versuchte er sich in "Österreich" gegen Irmgard Griss abzusetzen, die sich aber nicht ohne weiteres abwimmeln ließ. Sie sind nicht der einzige proeuropäische Kandidat. Das kann ich auch schon für mich in Anspruch nehmen: Ich bin begeisterte Europäerin.

Die Begeisterung nahm in der Gedankenfolge dann leicht verschwommene Züge an. Hat Strache, so Griss, die absolute Mehrheit, wird der Bundespräsident ihn angeloben müssen - aber jetzt, Kickl, keine übereilte Vorfreude! – außer der Bundespräsident ist der Meinung, in dieser konkreten Situation führt das Österreich mit einem antieuropäischen Kurs in den Abgrund. Dann wären wir in einer Situation wie 1933 bei Hindenburg und Hitler.

Ob Strache dieser Vergleich mehr begeistert oder weniger, ist aus seiner Umgebung bisher nicht herausgedrungen, man hält sich da bedeckt, darf also annehmen, dass er sich irgendwie geschmeichelt fühlt. Griss hingegen hat ihre Distanz zu Hindenburg klargemacht. Da müsste ein Präsident meiner Meinung nach sagen: Ich kann da nicht mit. Ich sehe einen unwiederbringlichen Schaden für die Republik. Ich stelle mein Amt zur Verfügung. Das würde, so glaubt sie, die Nation aufrütteln.

Warum das eine Nation aufrütteln sollte, die eben Strache mit einer absoluten Mehrheit ausgestattet hat – was bei Hitler nicht der Fall war -, ließ Griss offen. Das ist hypothetisch, wir alle hoffen, dass es nicht so kommt. Wer mit wir alle gemeint war, blieb undefiniert.

Dieser Punkt rief den bekannten Menschenfischer und -kenner Reinhold Lopatka auf den Plan. "Wer die Parlamentsmehrheit bei Wahlen erzielt, ist vom Volk legitimiert. Das gilt natürlich auch für die FPÖ und Heinz-Christian Strache. Wenn Van der Bellen das nicht akzeptiert, dann hat er von Demokratie nichts verstanden." Als Fachmann für Demokratie hat sich Lopatka mit seinen Einkäufen beim Abgeordnetenklub Stronach unmissverständlich ausgewiesen, was "Die Presse" nicht hinderte, Lopatkas Einwand in einem Kommentar wiederzukäuen.

Was Van der Bellen zuletzt von sich gab, hat aber nichts mit dem Auftreten eines besonnenen Professors zu tun, rüffelte das Blatt Unkenntnis der Verfassung. Ein Manko, das sich bis zum Wahltag leicht beheben lässt, die Bevölkerung jedenfalls bisher nicht sonderlich beeindruckt hat. Neue Umfrage: Jetzt alle Kopf an Kopf, berichtete "Österreich", um in der dem Blatt eigenen Logik unmittelbar daneben eine Umfrage abzubilden, nach der Van der Bellen mit 27 Prozent deutlich vor Hofer und Griss mit je 19, Hundstorfer mit 16 und Khol mit 14 Prozent liegt. Sehr ähnlich das Ergebnis einer anderen Umfrage, mit der die "Salzburger Nachrichten" aufwarteten.

Was, anders als "Die Presse" wähnt, ein deutliches Anzeichen für die Besonnenheit des Professors lieferte, war ein Auftritt für die "Kronen Zeitung", wo er, bildlich fixiert zwischen die Inhaber eines Delikatessenladens am Naschmarkt, seinen Vorsprung demonstrierte: Als erster Hofburg-Kandidat hat sich Van der Bellen – hier bei einer Markttour – TTIP-kritisch geäußert. Nicht unwichtig, denn: Sollte das Parlament in Wien TTIP und CETA trotz Hunderttausender Proteste unserer "Krone"-Leser doch beschließen, so kann der zukünftige Bundespräsident das Unheil von Österreich dennoch abwenden, meint Verfassungsjurist Dr. Heinz Mayer. Auch das wird der "Presse" nicht gefallen.

Andreas Khol versuchte in einem Video-Chat für "Heute" mit seinem Faible für Elfriede Jelinek und Peter Handke zu punkten. Die Angelobung einer ausländerfeindlichen Partei wie der FPÖ hinge "nicht von meinen persönlichen Vorlieben ab. Ich würde nur eine Regierung angeloben, die nicht den Verfassungsbruch vorhat", was lobenswert ist, sollte ein solcher zuvor angekündigt werden. Die polnische Regierung, "die den Verfassungsgerichtshof abschaffen wollte, de facto, hätte ich nicht angelobt". Mut, der wenig kostet. (Günter Traxler, 5.3.2016)