Andres Müry, ein Mann des Theaters, aus dem Debütantenalter heraus. In "Zwei Paare ohne Sex im Waldviertel" geht es nicht nur um zwei Paare und nicht nur um Sex.

Foto: Weissbooks.w

Es gibt Debüts von jungen, gut aussehenden Dichterinnen, die auf dem Autorenfoto aussehen, als kämen sie frisch vom Friseur. Es gibt Debüts, wo schlampig angezogene, zigarettenrauchende Genies zu sehen sind und in eine Ferne blicken, die sich nur ihnen erschließt. Und dann gibt es Debüts, die wirklich aus dem Schema fallen. So eines ist das von Andres Müry, seines Zeichen ein Mann des Theaters und aus dem üblichen Debütantenalter heraus. Spätestens seit Joachim Meyerhoff weiß man, dass Theaterleute auch was vom Schreiben verstehen. So auch im Fall von Adres Müry. Doch während der Schauspieler Meyerhoff gern über seine Kindheit plaudert, ist Andres Müry mehr an dem Phänomen interessiert, das das Motto seines Buches ausdrückt. Es kommt von Milan Kundera und lautet: "Die Liebe mit der Sexualität zu verbinden war einer der bizarrsten Einfälle des Schöpfers."

In Zwei Paare ohne Sex im Waldviertel geht es daher nicht nur um zwei Paare und nicht nur um Sex.

Letzteres ist durchaus vorhanden, aber gerade dezent genug, dass daraus keine Charlotte Roche wird, und auch nicht so wenig, dass der Leser mit seiner Fantasie verhungert. Je länger man im Buch verweilt, desto mehr entdeckt man, dass unter den Liebespaaren und anderen Paarungen noch ein weiteres Paar am Werk ist: die Vergänglichkeit und die Liebe. Dieses Paar ist der wahre Held des Buchs.

An die Tür der Liebe klopfen

In der ersten Erzählung lässt zum Beispiel der Ich-Erzähler, seine junge, hübsche Begleitung stehen, um eine alte, inzwischen schon verblühte Freundin zu finden. Er fährt sogar extra in der Erinnerung zurück in seine Jugend, wo es zwischen vier jungen Menschen im Waldviertel zu einer Art Wahlverwandtschaftensituation auf österreichischem Boden kommt. Am Ende entsteigt der Erzähler der Erinnerung, um zurück in der Realität an die Tür der alten Liebe zu klopfen.

In einer nächsten Erzählung trifft ein alternder Schauspieler zufällig auf einen Kumpel aus alten Zeiten, mit dem er eine kleine Affäre hatte. Eine alte Loyalität tritt hervor, trotz Lebensgefahr, indem der eine den anderen um ein Haar umbringt und zeigt, dass Liebe weder geschlechterspezifisch ist noch ein Ablaufdatum hat.

In der letzten Geschichte trifft ein Mann seine Tochter, ohne ihr jemals beichten zu dürfen, dass er ihr Vater ist. Es ist die Geschichte einer schmerzvollen "Verschweigung", hervorgerufen durch einen verhängnisvollen Fehler, der da begangen wurde, wo man die meisten Fehler begeht. In der Jugend.

Es ist schön zu lesen, wie Andres Müry trocken und gelassen die Sätze laufen lässt. Noch schöner ist es, dass hier kein Absolvent einer Schreibschule am Werk ist, der eingepfercht zwischen anderen Absolventen sein Schreibwerk gelernt hat, sondern draußen im Leben. Gut getroffen sind die zwischenmenschlichen Beschreibungen, auch wenn der Autor manchmal vom Privileg eines Debütanten Gebrauch macht, gerne auszuschmücken oder den Faden für eine andere Wichtigkeit kurz zu lockern.

Stets umgibt ein melancholischer Schleier die Gestalten, egal ob sie gerade miteinander streiten, in groteske Situationen verwickelt werden oder sich nur den Kopf zerbrechen, was sie zum Frühstück essen sollten. Dieser Schleier legt sich irgendwann unbemerkt auf den Leser. Und dieser nimmt ihn dankbar an, um aus dem Buch anders hinauszugehen, als er hineinging.

Zwei Paare ohne Sex im Waldviertel macht neugierig auf das nächste Buch. Der Verlag tat gut daran, Mut zu beweisen und in Zeiten der auf Teufel komm raus erzwungenen Romane einen Erzählband herauszugeben.

Der weiße Umschlag ist schon Tradition des Weissbooks.w-Verlags und steht einem Debüt wie dem von Andres Müry besonders gut. Was allerdings das Autorenfoto angeht, wäre die Layoutabteilung gut mit einem Tipp beraten, den man sonst gerne Schriftstellern gibt: "Weniger wäre mehr." So oder so: Der Leser wartet auf die Fortsetzung. Der Autor möge sich beeilen. (Radek Knapp, Album, 4.3.2016)