Der slowakische Premier Robert Fico – hier bei einer Debatte am Mittwoch – gilt als politisches Supertalent. Nach der Wahl am Samstag möchte er zum dritten Mal Regierungschef werden.

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Ján Mrva ist ganz im Wahlkampfmodus. Bei einer Busstation im Zentrum der slowakischen Hauptstadt Bratislava verteilt er Flugzettel am laufenden Band. Seit zehn Jahren ist Mrva in Bratislava Bezirksvorsteher, am Samstag kandidiert er bei den slowakischen Parlamentswahlen für die bürgerliche Neo-Partei Siet (Netz). Wofür er politisch steht? Mrva fasst routiniert zusammen: Politiker sollen im Falle von Misswirtschaft persönlich für ihre Entscheidungen haften. Und Briefkastenfirmen sollen von der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.

Nach der großen Zukunftsvision einer jungen Partei klingt das nicht. Genau deshalb ist Mrvas Wahlkampf auch symptomatisch für die politische Auseinandersetzung im Land: Die linke Regierungspartei Smer von Premier Robert Fico, seit vier Jahren mit absoluter Mehrheit an den Schaltstellen der Macht, führt in der Wählergunst souverän. Ihr gegenüber steht eine völlig zersplitterte rechte Opposition, die sich in persönlichen Animositäten und der Verfolgung von Partikularinteressen aufreibt.

Ein paar Busstationen weiter, auf der Donaubrücke, thront auf einem Riesen-Billboard das einsame Konterfei von Premier Fico mit der einfachen Botschaft seines Wahlkampfs: "Wir schützen die Slowakei." Der Subtext bleibt unausgesprochen, ist aber allen klar: Die Flüchtlingskrise stand im östlichen Nachbarland Österreichs im Zentrum des Wahlkampfs – obwohl Migranten im Alltag hier so gut wie keine Rolle spielen.

Krise ohne Flüchtlinge

2015 haben in der Slowakei 169 Personen einen Asylantrag gestellt, acht bekamen einen positiven Bescheid. Dass das Land für Schutzsuchende offenbar kein attraktives Ziel ist, hindert die slowakischen Politiker jedoch nicht an ihrer harten Linie gegenüber den Partnern in der EU. Ganz im Gegenteil: Die Realität zeige, dass verpflichtende Quoten ohnehin nicht umsetzbar seien, so der Tenor. Bratislava lehnt die Quoten entschieden ab und hat deshalb sogar vor dem Europäischen Gerichtshof geklagt.

Kontroverse Diskussionen finden zu dem Thema kaum statt – auch wenn es durchaus Bürgerinitiativen gibt, die Hilfsbereitschaft für Migranten zeigen: Während etwa die Regierung die Zuteilung von 900 Flüchtlingen per Quote abgelehnt hat, haben Freiwillige Unterkünfte für 2000 Personen organisiert. Privates Engagement für Migranten findet aber keinen politischen Niederschlag. So gut wie alle Parteien blasen in dieser Frage ins selbe Horn, Unterschiede gibt es bestenfalls in der Tonlage.

Plus für den Amtsinhaber

Dennoch zeigen Umfragen, dass die Flüchtlingskrise in den vergangenen Monaten ein Plus von fünf Prozent für Ficos Partei Smer gebracht hat. Offenbar traut man dem amtierenden Premier am ehesten zu, in dieser Frage die Zügel in der Hand zu behalten.

Auch wirtschaftspolitisch haben die Mitbewerber gegen Fico keine guten Karten: Das Bruttoinlandsprodukt wächst stabil, die Arbeitslosigkeit sinkt. Angreifbar macht sich die Regierung jedoch bei der schlechten Finanzierung der Löhne im staatlichen Sektor, wo es zuletzt zu Lehrerstreiks und Massenkündigungen von Krankenschwestern kam. "Die Steuereinnahmen sprudeln", sagt der Politologe Dirk Dalberg von der slowakischen Akademie der Wissenschaften zum STANDARD. "Die Frage ist, ob man nun die Steuern senkt oder etwa die Gehälter im Gesundheits- und Schulwesen anhebt." Die Regierung hält sich dazu bedeckt.

Koalitionspoker in Sicht

Dass Smer wie in den vergangenen vier Jahren weiter mit absoluter Mehrheit regieren kann, gilt als unwahrscheinlich. Jüngste Umfragen sehen die Partei bei etwa 35 Prozent. Von den anderen Parteien haben neben Siet vor allem die Slowakische Nationalpartei (SNS), die Ungarnpartei Most-Hid und die Christdemokraten (KDH) die besten Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen.

Welche Koalitionen letztlich möglich sind, bevor die Slowakei Mitte 2016 den EU-Ratsvorsitz übernimmt, das bleibt die große Unbekannte. Zu unklar ist, wie viele der 23 Parteien den Einzug ins Parlament schaffen. Eine Zusammenarbeit Ficos mit den Nationalisten der SNS gilt als möglich. Fico hat bereits 2006 die SNS in sein erstes Kabinett geholt. Das kostete ihn vorübergehend die Mitgliedschaft in der Europäischen Sozialdemokratie. Mittlerweile hat die SNS ihren Vorsitzenden ausgetauscht und versucht, sich ein zahmes Antlitz zu geben. (Gerald Schubert aus Bratislava, 3.3.2016)