Der Zaun an der griechisch-mazedonischen Grenze hat tausende Flüchtlinge auf ihrem Weg nach Mittel- und Nordeuropa gestoppt.

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Knapp eine Woche vor dem nächsten EU-Sondergipfel, an dem der türkische Ministerpräsident Ahmed Davutoglu teilnehmen wird, zeichnet sich in der Flüchtlingskrise eine Trendwende ab.

In Debatten zwischen Regierungen gibt es zwar verbale Scharmützel um die von einer Gruppe von Balkanstaaten (und Österreich) vereinbarten verschärften Grenzkontrollen und Blockaden für Flüchtlinge. So wies der Sprecher von Kanzlerin Angela Merkel die Forderung von Kanzler Werner Faymann zurück, Deutschland solle seine Karten offenlegen und täglich eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen direkt aus Griechenland abholen: "Deutschland operiert nicht mit Tagesquoten", konterte der Sprecher in Berlin.

Im Hintergrund jedoch zeichnete sich eine deutliche Bewegung in der EU-Flüchtlingspolitik ab. Zunächst beschloss die EU-Kommission eine sofortige "humanitäre Nothilfe" zur Versorgung der Flüchtlinge – sie reagierte auf die angespannte Lage an der griechisch-mazedonischen Grenze. Insgesamt 700 Millionen Euro werden aus dem EU-Budget für Nahrung, Wasserversorgung, medizinische Zwecke oder Zelte zur Verfügung gestellt. "Der Großteil davon" werde nach Griechenland gehen, bestätigte der EU-Kommissar Christos Stylianides, 300 Millionen Euro noch 2016, je 200 Millionen bis 2018. Athen fordert 480 Millionen Euro. EU-Rat und Parlament müssen der Finanzierung aus dem EU-Budget noch zustimmen. Das erste Geld soll aber "so rasch wie möglich" fließen. Es ist für Hilfe durch für UN-Agenturen, Rotes Kreuz, NGOs etc. gedacht.

Quartiere in Griechenland

Stylianides erinnerte daran, dass Griechenland "sich verpflichtet hat, 50.000 Flüchtlinge im Land zu versorgen". Die Aussage ist bemerkenswert, weil die Regierung in Athen bisher nur 11.000 Flüchtlinge versorgte. Da zeichnet sich eine Trendwende ab. Merkel, die sich grundsätzlich für eine offene Asylpolitik ausspricht, hatte tags zuvor direkt an die Flüchtlinge appelliert, "sich in Griechenland ein Quartier zu suchen". Es gebe genügend Hotels.

Der griechische Migrationsminister Yannis Mouzalas erklärte vor Bürgermeistern, die Balkanroute könnte dauerhaft zu bleiben, "wir werden kein Transitland mehr sein". Gleichzeitig wird mit Hochdruck mit der Türkei verhandelt, die Zahl der über die Ägäis per Boot kommenden Migranten drastisch zu reduzieren. Ziel von Deutschland ist es, dass "weniger als 1000 pro Tag kommen", bestätigen Diplomaten in Brüssel.

Dazu passt, dass die Regierung in Athen beginnt, vermehrt Migranten ohne Chance auf Asyl in Europa direkt in die Türkei abzuschieben: 308 Illegale aus Tunesien, Marokko und Algerien sollen jetzt zurückgeführt werden, bestätigte die Kommission. So soll Raum geschaffen werden für Kriegsflüchtlinge.

Am Abend traf Vizekanzler Reinhold Mitterlehner Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel. Die beiden wollten die Missstimmung zwischen Österreich und der Kommission entspannen, nachdem die EU-Zentralbehörde die von der Regierung in Wien vereinbarten "Obergrenzen" für Asylwerber als illegal eingestuft hatte. Laut Mitterlehner habe Juncker Verständnis für die Lage in Österreich. Bei den Obergrenzen sei man unterschiedlicher rechtlicher Auffassung. Das werde man in Ruhe abarbeiten, die Regierung werde die Bedenken aus Brüssel "wohlüberlegt beantworten". Mitterlehner rechnet nicht damit, dass es rasch zu einem Verfahren kommt. (Thomas Mayer aus Brüssel, 2.3.2016)