Die Rasterelektronenmikroskop-Aufnahme zeigt zwei Fadenwürmer der Gattung Pristionchus bei der Paarung. Sich auf diesem Wege fortzupflanzen, lässt die Würmer länger leben als Hermaphroditen.

Foto: Jürgen Berger/ Max-Planck Institut für Entwicklungsbiologie

Tübingen – Bei manchen Tieren existieren innerhalb ein und der selben Gattung unterschiedliche Wege zur Fortpflanzung: Entweder Sex, wie man ihn kennt, also zwischen zwei Partnern, meist Männchen und Weibchen, oder per Selbstbefruchtung, das heißt gänzlich ohne Partner. Unter den Fadenwürmer der Gattung Pristionchus beispielsweise gibt es Arten, bei denen die Weibchen die Spermien selbst produzieren und sich damit befruchten. Deutsche Wissenschafter haben nun herausgefunden, dass diese sogenannten Hermaphroditen eine kürzere Lebenserwartung haben als sich geschlechtlich fortpflanzende Weibchen, die sogar doppelt so alt werden können.

Das Zusammenspiel von Männchen und Weibchen hat einen Einfluss auf viele biologische Prozesse, auch auf die Evolution von Eigenschaften wie der Lebenserwartung oder Alterungsprozessen. Die meisten Tiere pflanzen sich durch Paarung von Männchen und Weibchen fort – einige Tierarten haben aber alternative Wege der Reproduktion entwickelt. Ralf Sommer und Cameron Weadick vom Max-Planck-Instituts für Entwicklungsbiologie in Tübingen erforschen, welche Folgen diese alternative Fortpflanzung mit sich bringt.

Dazu haben sie untersucht, ob Fadenwürmer der Gattung Pristionchus länger leben und weniger anfällig für Krankheiten sind; oder ob solche Hermaphroditen sich in einem kurzen Zeitraum häufig vermehren, dann aber an Alterungsprozessen zugrunde gehen. Durch den Vergleich von Arten mit verschiedenen Fortpflanzungsmethoden können die Forscher nachvollziehen, welche Rolle die sexuelle Interaktion neben anderen lebenswichtigen Prozessen wie Wachstum und Gesundheit einnimmt und wie sich deren Stellenwert im Laufe der Evolution verändert hat.

Die Wissenschafter haben die Lebensdauern von Weibchen und Hermaphroditen von elf verschiedenen Pristionchus-Arten verglichen. Sie fanden heraus, dass Hermaphroditen, die ihre Eier mit ihrem eigenen Sperma befruchten, deutlich kürzer leben als sich paarende Weibchen. Dabei hängt die Lebensdauer nicht direkt mit der Zahl der Nachkommen zusammen. Das bedeutet, dass die Investition in die aufwändigere Fortpflanzungsmethode nicht automatisch mit dem Vorteil eines längeren Lebens erkauft wird.

Mehrere Ursachen möglich

Warum Hermaphroditen kürzer leben, kann verschiede Ursachen haben. Da sie die Spermien schon vor dem Erwachsenenalter produzieren, können sie früher mit der Fortpflanzung beginnen. Weibchen müssen hingegen Zeit für die Partnersuche aufbringen. Außerdem kann es vorkommen, dass Weibchen bei der Paarung verletzt werden. Möglicherweise hatten daher besonders widerstandsfähige, langlebende Weibchen evolutionäre Vorteile. Es wäre auch denkbar, dass die kürzere Lebensdauer bei Hermaphroditen durch die ständige Inzucht bedingt ist.

Inzucht verhindert, dass vorteilhafte Eigenschaften sich in der Evolution durchsetzen (natürliche Selektion) und kann zu einer Anhäufung von ungünstigen Mutationen führen.
Diese Mechanismen schließen sich nicht gegenseitig aus. Die Herausforderung für die Zukunft ist daher, die genauen Ursachen aufzuklären. (red, 6.3.2016)