Das ist die einzige Straße, die ins Dorf Tiemokokro führt.

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Wenn der Dorfbrunnen defekt ist, und das ist er die meiste Zeit des Jahres, gehen die Frauen mit Kübeln auf dem Kopf täglich mehrmals zu kilometerweit entfernten Wasserstellen.

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Die Kakaofrüchte werden in Côte d' Ivoire mit einer Machete vom Baum geschlagen.

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Danach werden die Kakaobohnen händisch aus der Frucht geholt.

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Die Bohnen durchlaufen einen Gärungsprozess (Fermentierung) und werden danach getrocknet.

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In 50-Kilogramm-Säcken werden die Bohnen ins Ausland exportiert.

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Kinderarbeit in der Kakaoproduktion ist in Côte d' Ivoire weit verbreitet. Wer fairtradezertifiziert sein will, muss auf den Einsatz gefährlicher Kinderarbeit verzichten.

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Die Schule ist das wichtigste Projekt der Kooperative. Die Kinder sollen hier Bildung erhalten, statt gefährliche Tätigkeiten auf den Kakaofeldern zu verrichten.

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Die Hauptstraße ist zugleich die einzige Straße, die ins Dorf führt. Aber was heißt Straße? Einige Schlaglöcher entlang der Lehmpiste sind so groß, dass sie nicht umfahren werden können. An einigen Stellen droht die durch den Regenwald geschlagene Trasse nach den Regenfällen der letzten Tage wegzubrechen. "Tiemokokro" steht nach wenigen Kilometern Holperpiste, für die man eine Stunde benötigt, auf dem Ortsschild. Unter dem Schriftzug befindet sich eine explizite Zeichnung, sein Geschäft bitte nicht im Freien zu verrichten – was angesichts nur einer Handvoll Toiletten für die hunderten Dorfbewohner nicht umzusetzen ist.

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In Tiemokokro, 130 Kilometer nördlich der afrikanischen Metropole Abidjan entfernt, gibt es wie in vielen Dörfern in Côte d'Ivoire keinen Strom, kein fließendes Wasser. Wenn der Dorfbrunnen defekt ist, und das ist er die meiste Zeit des Jahres, gehen die Frauen mit Kübeln auf dem Kopf täglich mehrmals zu kilometerweit entfernten Wasserstellen. Als Behausungen dienen Lehmhütten, gekocht wird auf offenen Feuerstellen, gegessen wird fast täglich das Gleiche: Reis, Bananen und Suppe aus den Wurzelpflanzen Yams, Maniok und Taro.

Solarpaneel als Handyladestation

Der einzige Luxus: Eine Autobatterie, die von einem Solarpaneel auf dem Strohdach gespeist wird. Sie wird einzig für das Aufladen von Handys gebraucht. Mit dem Handy können Gelder von Familienmitgliedern aus dem Ausland erhalten oder Autobesitzer im Krankheitsnotfall angerufen werden. Am eindrücklichsten zeigt sich die Armut aber bei den Blähbäuchen der vielen fröhlichen Kinder, die mehr an Mangel- als an Unterernährung leiden.

Fast alle Bewohner hier sind Kakaobauern. Sie sorgen für den Rohstoff eines Produkts, das kaum jemand im Dorf je gekostet hat: Schokolade. Die Wahrscheinlichkeit, eine veredelte ivorische Kakaobohne in Österreich probiert zu haben, ist hingegen groß: Mehr als ein Drittel der Welternte stammt aus Côte d'Ivoire, das Land ist mit Abstand vor dem östlichen Nachbarn Ghana der weltgrößte Kakaoanbauer.

Nachfrage nach Schokolade wird immer größer

Die Schoko-Nachfrage wird wegen des wachsenden Wohlstands in Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas größer. Das freut die verarbeitenden westlichen Konzerne wie Cargill (USA) oder Barry Callebaut (Schweiz) sowie die Multis Mars, Mondelez, Nestlé oder Ferrero. Sie kontrollieren den überwiegenden Großteil des Handels. Die Kakaobauern erhalten laut der Kampagne "Make Chocolate Fair" der NGO Südwind nur 6,6 Prozent des Verkaufspreises für eine Tafel Schokolade.

Jeder Vierte lebt vom Kakaoanbau

In Côte d'Ivoire lebt fast jeder vierte Bewohner vom Kakaoanbau. Der Wunsch vieler Bauern in Tiemokokro ist es aber, dass ihre Kinder etwas anderes lernen. "Ich hoffe, dass meine Kinder so lange als möglich in die Schule gehen können", sagt Kouadio N'Dri. Mit seiner Frau Suzanne Brou Affoué hat er 14 Kinder gezeugt, sieben haben nicht überlebt. Das ist hier nichts Außergewöhnliches: Frédéric N'Guessan Kouassi etwa erzählt von dreizehn Kindern. Wie viel Geld er mit dem Anbau von Kakao verdient, sei relativ, sagt Kouadio N'Dri. Ein Kleinbauer verdiene bei guter Ernte rund 1500 Euro im Jahr: "Aber wenn ich ein bisschen Geld habe, ist die afrikanische Familie groß. Das schließt Tanten, Onkeln, Nichten und Neffen mit ein."

Weil dubiose Zwischenhändler oft weniger Geld als den staatlich festgesetzten Mindestpreis für Kakaobohnen bezahlt haben, sind viele Bauern im Dorf einer Fairtrade-Kooperative beigetreten. Dort wird ein Mindestpreis garantiert, zudem erhält die Kooperative Prämiengelder (200 US-Dollar pro Tonne) von Fairtrade.

Ein kleiner Teil wird zusätzlich an die Bauern ausgeschüttet, der Rest für gemeinsame Projekte verwendet. In Tiemokokro konnte die zerstörte Schule wiederaufgebaut und Schulmaterialien konnten angeschafft werden. Bauern erhalten von der Kooperative neue Setzlinge, die den Ertrag in einigen Jahren steigern. Fairtrade-Kooperativen sind auch vom Weltmarktpreis unabhängiger: Im November 2015 notierte dieser bei über 3500 Dollar pro Tonne, aktuell sind es mehr als 400 Dollar weniger.

Die Schule als wichtigstes Projekt

Die Schule ist das wichtigste Projekt. Weit über 100 Kinder sollen hier Bildung erhalten, statt gefährliche Tätigkeiten auf den Kakaofeldern zu verrichten. Denn trotz eines Gesetzes gegen ausbeuterische Kinderarbeit, das 2015 verabschiedet wurde, ist die Entwicklung dramatisch: Laut einer aktuellen Studie der Tulane-Universität ist die Anzahl von Kindern, die in Côte d'Ivoire missbräuchliche Arbeit in der Kakaoproduktion leisten, um fast die Hälfte gestiegen. "72 Prozent der Kinder haben schon einmal gefährliche Arbeiten verrichtet", sagt Joseph N'Guessan von der NGO Fraternité Sans Limites. Dazu zählen das Bäumefällen, das Versprühen chemischer Produkte oder das Tragen von Lasten auf dem Kopf.

Neun Kilogramm Schokolade pro Kopf

Wer fairtradezertifiziert sein will, muss auf den Einsatz gefährlicher Kinderarbeit verzichten. Das wird in Schulungen vermittelt und kontrolliert. In Österreich werden pro Kopf und Jahr rund neun Kilogramm Schokolade konsumiert, nur vier Prozent ist nach sozialen oder ökologischen Kriterien zertifiziert. Wobei der Kauf von Fairtrade-Schoko nicht bedeutet, dass man auch Fairtrade-Schoko isst: Aufgrund der geringen Margen wird von Konzernen nicht getrennt produziert. Durch den höheren Verkaufspreis werden aber die Prämienzahlungen an die Kooperativen unterstützt. (David Krutzler aus Tiemokokro, 3.3.2016)