Foto: OEAW/R.HERBST

Wien – Als junger Postdoc an das vor wissenschaftlicher Energie pulsierende Institut eines frisch gebackenen Nobelpreisträgers zu kommen, hat Peter Schuster nachhaltig geprägt. Gepaart mit seiner Begabung gelang es dem Theoretischen Chemiker so, in die internationale Liga der Spitzenforscher vorzustoßen. Am Montag (7.3.) feiert er seinen 75. Geburtstag.

Zu Schusters 65. Geburtstag fragten sich Kollegen, wer denn nun vielseitiger sei: Sein Lieblingsmolekül, die Ribonukleinsäure, oder der Chemiker selbst mit seinem thematisch sehr breiten und umfangreichen wissenschaftlichen Oeuvre von rund 350 Publikationen und Büchern. Deren inhaltliches Spektrum reicht von zwischenmolekularen Wechselwirkungen und Wasserstoffbrücken, Reaktionskinetik über Systembiologie, Spieltheorie und Evolutionsmodellen bis zur Nukleinsäurereplikation.

Schuster war aber auch als Wissenschaftsorganisator und -administrator aktiv. Hier reichte seine Tätigkeit vom Aufbau von Arbeitsgruppen und ganzen Instituten bis zur Leitung von Großeinrichtungen wie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).

Werdegang

Schuster, am 7. März 1941 in Wien geboren, studierte Chemie und Physik an der Universität Wien und wurde 1967 sub auspiciis praesidentis promoviert. In seiner Doktorarbeit kombinierte er die Synthese organischer Verbindungen mit quantenmechanischen Berechnungen. Als Postdoc ging er an das Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen (Deutschland), dessen Direktor Manfred Eigen im Jahr zuvor den Chemie-Nobelpreis erhalten hatte.

1970 kehrte er nach Wien zurück und wurde Assistent am neuen Institut für Theoretische Chemie der Universität Wien. Inhaltlich arbeitete er an Wasserstoffbrücken-Bindungen, ein Thema, zu dem er mit Kollegen 1976 auch ein umfassendes Standardwerk herausgab. Nach seiner Habilitation 1971 folgte zwei Jahre später bereits ein Ruf als Professor für Theoretische Chemie und die Bestellung zum Institutsvorstand. Von 1992 bis 1995 war Schuster Gründungsdirektor des Instituts für Molekularbiologie in Jena und kehrte anschließend wieder an die Uni Wien zurück.

Forschungsschwerpunkte

Nachdem er die quantenchemische Arbeitsrichtung in Wien etabliert hatte, widmete sich Schuster zunehmend der molekularen Evolutionstheorie und entwickelte gemeinsam mit Manfred Eigen richtungsweisende Konzepte. Zudem erweiterte er mit dem Mathematiker Karl Sigmund die Modellbildung in der Evolutionsforschung. Die mathematische Modellierung von Selektions- und Evolutionsstrategien in Populationen von Viren und Mikroorganismen gilt als einer der Arbeitsschwerpunkte Schuberts.

Zu einer Zeit, als der Fokus der Aufmerksamkeit weitgehend auf der DNA und den Proteinen lag, führte er die RNA in die abstrakten Modelle ein und füllte damit die Theorien mit biochemischen Leben. "Schusters Simulationsmodell einer 'RNA-Welt' liefert ein einfaches, aber operativ vollständiges Abbild molekularer und biologischer Evolution", schrieb Schusters Kollege Werner Jakubetz einmal zu dessen Arbeiten.

Auszeichnungen

1993 erhielt der begeisterte Bergsteiger und Vater eines Sohnes das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst. Er ist damit Mitglied der 18 der renommiertesten heimischen Forscher umfassenden Österreichischen Kurie für Wissenschaft.

1995 wurde Schuster für molekularbiologische Verfahren zur Gestaltung neuer Bio-Werkstoffe und Enzyme mit dem deutschen Philip Morris-Forschungspreis ausgezeichnet, im selben Jahr zudem mit der Josef-Loschmidt-Medaille der Gesellschaft Österreichischer Chemiker. 1997 erhielt er den Kardinal-Innitzer Würdigungspreis für Naturwissenschaften, 1999 die Wilhelm-Exner-Medaille des Österreichischen Gewerbevereins und 2009 das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien.

Akademische Würden

In der ÖAW, deren wirkliches Mitglied er seit 1992 ist, war Schuster von 2000 bis 2003 Vizepräsident. Nachdem er von 2001 bis 2006 Mitglied des Präsidiums der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina war, wurde er für die Funktionsperiode 2006 bis 2009 zum ÖAW-Präsidenten gewählt. Seit 2009 ist er Mitglied der US-National Academy of Sciences, im selben Jahr emeritierte er an der Uni Wien.

Seit 1991 ist er externes Fakultätsmitglied des renommierten Santa Fe Instituts (USA). Gemeinsam mit dem Physiker Anton Zeilinger hat Schuster das Konzept für die Gründung einer Spitzenforschungseinrichtung in Österreich ausgearbeitet. Als die Politik entschied, das heutige Institute of Science and Technology (IST) Austria in Maria Gugging (NÖ) anzusiedeln, zog er sich aus dem Projektteam zurück. Seit 2013 ist er Universitätsrat der Technischen Universität Wien.

Doch auch im Alter von 75 Jahren sei Schusters "Begeisterung und Leidenschaft für die Forschung ungebrochen und er veröffentlicht nach wie vor auf höchstem wissenschaftlichen Niveau", schreibt die Theoretische Biochemie-Gruppe am Institut für Theoretische Chemie der Uni Wien in einer Würdigung. Das Institut veranstaltet zu Ehren Schusters am 19. und 20. Mai das Symposium "Chemolution: From Chemistry to Evolution". (APA, 6. 3. 2016)