Pro-Regierungs-Demonstrant in Prishtina, 26. Februar 2016

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EU-Sonderbeauftragter Samuel Zbogar (links, mit Eulex-Chef Bernd Borchardt) kritisiert mangelnde Korruptionsbekämpfung.

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Die mit französischem Steuergeld errichtete Ibar-Brücke in Mitrovica ist seit Jahren für den Fahrzeugverkehr gesperrt.

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Etwa 70 Millionen Euro zahlt die EU jedes Jahr an den Kosovo, Sonderzahlungen wie die 38 Millionen, die kürzlich für die Ankurbelung der Wirtschaft im strukturschwachen Norden ausgegeben wurden, nicht eingerechnet. Aus den USA kommen etwa 20 Millionen im Jahr dazu, erklärt Samuel Zbogar, Sonderbeauftragter der Europäischen Union und Leiter des EU-Büros in Europas jüngstem Staat, gegenüber dem STANDARD: "Diese Unterstützung ist weltweit ohne vergleichbares Beispiel."

Doch trotz der Investitionen, die seit der Unabhängigkeitserklärung vor acht Jahren fließen, ist die Wirtschaftslage des Kosovo weiter trostlos: Die Arbeitslosigkeit lag laut aktuellem EU-Jahresbericht im Jahr 2014 über 35 Prozent, 61 Prozent der 15- bis 24-Jährigen waren demnach ohne Beschäftigung. Schätzungen gehen von bis zu 70 Prozent Jugendarbeitslosigkeit aus.

Auf dem Weg vom Flughafen ins Zentrum der Hauptstadt Prishtina ist ein Granit- und Marmorexportunternehmen zu sehen, ansonsten besteht die Wirtschaft augenscheinlich aus Autowerkstätten, Gebrauchtwagenhändlern, Autowäschern und Bauunternehmen. Große Hoffnungen setzt die Regierung in den Ausbau der Landwirtschaft sowie in Auslandsinvestitionen. So will ein französisches Konsortium das Skigebiet Brezovica reaktivieren, indem es in den nächsten 17 Jahren 410 Millionen dort investiert.

Türkische Unternehmer haben kürzlich die stillgelegte Förderbandfabrik in Suhareka, den größten Industriebetrieb des Landes, erworben. Wann die Produktion wieder aufgenommen wird, können Vertreter der Kosovo-Handelskammer nicht sagen.

Im Winter 2014/15 machten sich fast fünf Prozent der Bevölkerung mithilfe von Schleppern und über die grüne Grenze auf den Weg nach Deutschland: der Beginn der Balkanroute, über die heute Flüchtlinge nach Europa strömen. Genaue Zahlen sind schwer zu finden. Dass es 100.000 der 1,8 Millionen Kosovaren gewesen seien, die in der Hoffnung auf Asyl und Arbeit nach Mitteleuropa wollten, bestreitet EU-Integrationsminister Bekim Çollaku: Höchstens 70.000 hätten versucht, das Land zu verlassen.

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Wien, 25. Februar 2015: Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner präsentieren Österreichs Inserat in der kosovarischen Presse.
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Dass mittlerweile viele zurückgekehrt sind, sei nicht auf die von Deutschland und Österreich geschalteten Inserate zurückzuführen, die von einer illegalen Einreise abrieten, sondern auf die die Bemühungen seiner Regierung. Diese habe den Auswanderungswilligen empfohlen, doch auf die versprochene Visa-Liberalisierung zu warten, statt ein Einreiseverbot zu riskieren.

Wenn die Visapflicht allerdings nicht heuer wegfällt, werden "nicht 100.000, sondern 200.000 Kosovaren an der EU-Grenze stehen", sagt Çollaku, bevor er sich von der Pressedelegation verabschiedet: Er hat einen Termin beim EU-Sonderbeauftragten Zbogar.

Der Vertreter der Union, dessen vierjähriges Mandat demnächst abläuft, erklärt, dass der Kosovo einen Großteil der von der EU gestellten Bedingungen erfüllt hat. Probleme gebe es allerdings noch mit Korruption auf hoher Ebene und bei der Definition der Grenze zum Nachbarland Montenegro.

Die Einrichtung eines Sondergerichts zu Kriegsverbrechen in Den Haag, der die Regierung in Prishtina nach langen Verhandlungen zustimmte, sieht Zbogar als Erfolg: "Wir und die USA haben sie ersucht, das zu tun, und sie haben keine anderen Freunde." Das Tribunal soll zu Vorwürfen gegen Mitglieder der ehemaligen UÇK-Guerilla ermitteln, die von der Misshandlung Kriegsgefangener bis zu angeblichem Organhandel reichen.

Kritik an Strafverfolgung

Derzeit verfolgen 1.600 von der EU bezahlte Polizisten und Juristen im Kosovo Kriminelle. Ob die örtliche Justiz nach dem Auslaufen des Eulex-Mandats im Juni diese Aufgabe übernehmen kann, ist unsicher: Von hohen EU-Vertretern hört man, dass Kriegsverbrecher wie Sami Lushtaku, der zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, auf offener Straße spazierengehen, sieben Bürgermeister, denen Amtsmissbrauch vorgeworfen wird, weigerten sich zurückzutreten.

Regelmäßig übten Politiker Druck auf Gerichte aus, nicht gegen "Helden" des Unabhängigkeitskampfs gegen Serbien vorzugehen. Den EU-Vertretern stößt übel auf, dass die Eulex Amtsträger wie den Bürgermeister von Prizren, der zweitgrößten Stadt des Landes, verurteilt, die zweite Instanz, die mit kosovarischen Richtern besetzt ist, diese Urteile dann aber wieder aufhebt.

Kurz vor den Feierlichkeiten zum achten Jahrestag der Unabhängigkeit Mitte Februar sprachen EU-Vertreter offene Drohungen aus: Die französische Botschafterin erklärte, es werde keine EU-Integration geben, solange die Korruption nicht abnehme, ihre deutsche Amtskollegin bezeichnete den Kampf gegen organisierte Kriminalität als "ungenügend", und der US-Vertreter drohte an, er werde Politikern und Beamten, die ihre Ämter missbrauchen, nicht mehr die Hand geben. (Bert Eder aus Prishtina, 2.3.2016)