Kardinal George Pell muss wegen Missbrauchsskandalen aussagen.

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Der kräftig gebaute und einen rustikalen Umgangston pflegende Australier George Pell wird im Vatikan von allen bloß "Der Ranger" genannt, sogar vom Papst. Seit Februar 2014 ist der 74-jährige ehemalige Erzbischof von Sydney Präfekt des vatikanischen Wirtschaftsrats und damit Herr über die Finanzen und weltlichen Besitztümer des Kirchenstaats – einer der mächtigsten Männer im Vatikan. Papst Franziskus hatte den konservativen Pell persönlich ernannt: Angesichts des desolaten Zustandes, in welchem sich die vatikanischen Finanzen befanden, brauchte er einen "Mann fürs Grobe". Dafür schien der frühere Rugbyspieler richtig zu sein.

Doch nun wird Pell von seiner Vergangenheit eingeholt: In der Nacht auf Montag musste er einer australischen Untersuchungskommission Rede und Antwort stehen, die sich mit dem Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Priester befasst. Mit einem Verurteilten, der mehr als 100 Kinder sexuell missbraucht hatte, hatte Pell sogar im gleichen Priesterseminar gelebt.

Dem Kurienkardinal wird in seiner Heimat schon lange vorgeworfen, von den Vergewaltigungen gewusst, diese aber als Bischof nicht energisch genug verfolgt oder sogar vertuscht zu haben.

In der Befragung, die per Videoschaltung zwischen Rom und Melbourne erfolgte, räumte Pell ein, dass die Kirche Kindesmissbrauch jahrelang heruntergespielt und "schreckliche Fehler" begangen habe: "Ich bin nicht hier, um das Unhaltbare zu verteidigen." Auch er selber habe damals "die starke Tendenz gehabt, eher einem Priester zu glauben, der die Taten bestritt, als dem Opfer, das ihn beschuldigte".

Schuldsuche bei anderen

Pell versicherte, er selbst habe nie von konkreten Taten gehört und habe auch nichts vertuscht. Stattdessen schob Pell die Schuld auf andere, etwa den Bischof von Ballart, Ronald Austin Mulkearns. Dieser sei "eine Katastrophe für die Kirche", betonte Pell.

Dass der damals höchste Geistliche Australiens trotz seiner Nähe zum Geschehen jahrzehntelang nichts Konkretes gewusst habe, wird ihm immer weniger geglaubt – auch in Rom. Schon im Juni 2015 war es im Vatikan zu einem Eklat gekommen: Der Engländer Peter Saunders – Mitglied der von Franziskus eingesetzten vatikanischen Anti-Missbrauchs-Kommission und in seiner Kindheit ebenfalls Opfer eines pädophilen Priesters – hatte den australischen Kardinal attackiert: "Pell spielt ein Spielchen mit der Kommission, aber vor allem mit allen Opfern. Deswegen müsste er vom Papst zurück nach Australien geschickt werden." Denn: "Wenn null Toleranz herrschen soll, dann muss sie für alle gelten."

Saunders trat in der vatikanischen Anti-Missbrauchskommission kürzlich aus Protest eine "Auszeit" an.

Pell, der pädophile Priester einmal mit Lkw-Fahrern verglichen hatte, die Autostopperinnen belästigen, wird zunehmend zur Belastung für den Papst: Zum einen werden die Befragungen Pells durch die australische Untersuchungskommission noch die ganze Woche andauern. Zum anderen ist der "Ranger" auch anderweitig unter Beschuss. So war Ende 2015 im Rahmen der "Vatileaks-2-Affäre" aufgeflogen, dass der Australier, der für transparentes und zurückhaltendes Finanzgebaren sorgen sollte, in den ersten sechs Monaten als neuer Wirtschaftspräfekt über eine halbe Million Euro an Spesen in Rechnung gestellt hatte – unter anderem für teure Business-Class-Flüge. (Dominik Straub aus Rom, 2.3.2016)