Dank eigens entwickelter Sensortechnik konnte in das Alpha-E-Piano die Mechanik eines Konzertflügels verbaut werden.

Foto: Alpha Pianos

Die Software des Hightech-Pianos kann per LAN-Schnittstelle und Webbrowser upgedatet werden.

Foto: Alpha Pianos

Wien – Wer einst im Wiener Bürgertum etwas auf sich hielt, der hatte einen prachtvollen Flügel im Salon stehen. Die Zeiten der berüchtigten Flügelkämpfe des 19. Jahrhunderts sind vorbei und die Zahl der Salons und Musikzimmer, in die man eines dieser imposanten Instrumente stellen könnte, rar. Die Zeit der kleineren Pianos und ihrer elektronischen Pendants ist angebrochen. Sie sind zweifellos praktisch, spielen sich aber auch anders.

Ein Gründer eines Start-ups in Niederösterreich hatte eine Idee, wie man mehr Flügel in ein kompaktes E-Piano packen könnte. Mario Aiwasian war schon bei Bösendorfer für den Computerflügel Ceus zuständig, ein Klavier, das die Bewegungen der Mechanik exakt speichert und selbsttätig reproduziert.

Nach der Übernahme des traditionsreichen Klavierherstellers durch Yamaha hat sich Aiwasian selbstständig gemacht und begonnen, in seinem Unternehmen Alpha Pianos auf eigene Faust Instrumente zu entwickeln. Das erste Projekt war ein elektronisches Instrument, das eine Flügelmechanik mit einer ausgefeilten Sensortechnik kombiniert. Das Ziel: Das kompakte Gerät sollte sich beim Spielen wie eines der großen Geschwister anfühlen.

Genau diese Sensortechnik ist der innovative Kern des Alpha Pianos, so Aiwasian. Eine Konzertflügelmechanik lässt beim Tastenanschlag einen sogenannten Hammerkopf auf zwei oder drei Saiten schlagen. "Bis zum Hammerkopf ist beim Alpha Piano alles eins zu eins wie beim Konzertflügel. Statt auf die Saiten schlägt er aber auf einen Sensor."

Bei der Entwicklung dieses Sensors, der also Klaviersaiten möglichst genau imitieren sollte, wurde ein sogenannter Dehnmessstreifen, der auch in einer Waage für die richtige Gewichtsanzeige sorgt, in eine Leiterplatte integriert. Eine spezielle Dickschichtpaste macht es dabei möglich, den Widerstand, der sich durch das Dehnen des Streifens ergibt, zu messen. "Die dahinterliegende Software wertet die gesammelten Sensordaten aus und gibt weiter, welche Taste wie stark angeschlagen wurde." Für Software-Updates greift man auf das Gerät per LAN-Anschluss und Webbrowser zu.

Bei einer ersten Version waren die Messstreifen noch nicht in Leiterplatten integriert, sondern auf Aluminiumbalken angeordnet, erinnert sich Aiwasian. "Von jedem der Sensoren gingen dabei aber vier Kabel weg. Bei 88 Tasten sind das fast 400. Mit den Leiterplatten haben wir jetzt nur noch ein Kabel, das weitergeführt wird."

Nach 18 Monaten Entwicklungszeit wurde ein erster Prototyp auf Tour geschickt. Chick Korea, Konstantin Wecker und Musiker des Mozarteum Salzburg testeten das Gerät und gaben Feedback, das in die Optimierung des Systems einfloss. Gefördert wurde das Unternehmen vom Austria Wirtschaftsservice und dem Land Niederösterreich. Die Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützte die Sensorentwicklung. Das Alpha-Klavier, das 2014 auf den Markt kam, ist ab 25.000 Euro erhältlich.

Ein weiteres Produkt des Start-ups soll in wenigen Wochen präsentiert werden: das M-Piano, an dem selbst Popstar Lady Gaga schon Interesse anmeldete. Auch der Entwicklungsweg zu diesem Instrument war aufwändig. Die Benutzeroberfläche ist durch eine Tablet-App zugänglich, die per WLAN mit dem Keyboard kommuniziert. So kann man das Instrument konfigurieren und etwa die Klaviatur auf mehrere Bereiche aufsplitten, Schemata für einzelne Songs speichern und in einer Setlist für den Auftritt anordnen.

Besonders die Tasten haben es in sich: Ihre Oberfläche ist berührungsempfindlich. "Man kann mit dem Finger darüberrutschen und den Ton damit noch modulieren", erklärt Aiwasian. Die Technik dahinter ähnelt den Touch-Displays von Smartphones. "Unterhalb des Tastenbelags sitzt eine Leiterplatte, die anhand der Feuchtigkeit der Finger ihre Position erkennt."

Einstellbare Tastenhärte

Ein Alleinstellungsmerkmal besteht in der Technik, die die Tastenhärte einstellen lässt. Auch hier gab es eine erste Version, die verworfen wurde: Gemeinsam mit der TU Wien wurden Metalltöpfe und Spulen verbaut, um die Tasten mithilfe einer Wirbelstrombremse magnetisch zu steuern, sodass sich durch entsprechende Bestromung der Druckwiderstand verändert. Das habe zwar gut funktioniert, sorgte aber für hohes Gewicht und hohen Aufwand an Leistungselektronik.

Also suchte man nach einer anderen Lösung und wurde bei einer Technik fündig, die von Zahnärzten bekannt ist. Sie verwenden Bohrer, die zwei verschiedene Zustände annehmen können, etwa weich für die Wurzelkanäle und starr beim Zahnaufbau. Beim M-Piano wurde das Material mit Formengedächtnis für Federn unter den Tasten genutzt. "Die Technik benötigt keine dauerhafte Bestromung wie die Magnetlösung. Die Federn ändern durch einzelne Impulse ihren Härtegrad, sodass sich die Tasten unterschiedlich weich oder hart anfühlen." (Alois Pumhösel, 6.3.2016)