In Wien und Niederösterreich zieht und verkauft Alexander Kristen mit seinem Unternehmen Flowery Field Zierhanf. Um die Wirkstoffe der Pflanze auch für Arzneien zu extrahieren, wie es derzeit der Ages vorbehalten ist, zieht er vor den VfGH.

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Wien – Der Besitz potenter Hanfblüten ist in Österreich grundsätzlich verboten. Das Suchtmittelgesetz (SMG) macht in Paragraf 6a aber eine explizite Ausnahme: Die staatliche Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) darf Cannabispflanzen "zwecks Gewinnung von Suchtgift zur Herstellung von Arzneimitteln sowie damit verbundene wissenschaftliche Zwecke" anbauen; über ein Tochterunternehmen könnten laut Gesetz sogar private Anteilseigner mit Gewerbeberechtigung für Arzneimittel an bis zu einem Viertel des Geschäfts teilhaben.

Den Anspruch auf eine solche Tochter nimmt die Ages nicht wahr. Sie lässt ihr Institut für Nachhaltige Pflanzenproduktion, im Organigramm der Ages im Geschäftsfeld Ernährungssicherung untergebracht, seit 2008 selbst produzieren. Im Schnitt waren es zuletzt rund 90 Kilogramm pro Jahr. 2013 wog die Ernte 142 Kilogramm, 2010 nur 38 Kilogramm. Die Zahlen meldet das Gesundheitsministerium, dem die Ages untersteht, jedes Jahr den Vereinten Nationen.

Zum Vergleich: Die Menge von der Polizei sichergestellter illegaler Cannabisprodukte in Österreich betrug zuletzt jährlich zwischen 900 und 1.700 Kilogramm. Die Konsummenge im Land wird auf einen zweistelligen Tonnenbetrag pro Jahr geschätzt.

Doch auch ohne Beteiligungsmöglichkeit profitieren Private von der staatlichen Cannabisproduktion. Denn die jährliche Herstellungsmenge ist Vereinbarungssache zwischen der Ages und ihrem Vertragspartner Bionorica, wie das Gesundheitsministerium dem STANDARD mitteilt. Das deutsche Unternehmen mit einer Forschungsfiliale in Innsbruck ist Marktführer bei pflanzlichen Arzneien in Deutschland und mehreren osteuropäischen sowie zentralasiatischen Staaten.

Als Exklusivabnehmer machte Bionorica einen Teil seines 2014 erwirtschafteten Nettoumsatzes von 232 Millionen Euro mit österreichischem Cannabis. In extrahierter Form wird es als Dronabinol meist bei chronischen Schmerzen, Spasmen und Appetitstörungen verordnet. Auch auf dem österreichischen Markt sind derartige auf Cannabisextrakten basierende Medikamente zugelassen.

Cannabinoid-Extrahierung und In-vitro-Vermehrung

Wenn schon Privatunternehmen an der staatlichen Hanfproduktion mitverdienen, habe das Monopol der Ages keine Berechtigung, findet Alexander Kristen. Über sein Unternehmen Flowery Field ist er selbst mit der Kultivierung der umstrittenen Staude beschäftigt. Sein Geschäftsmodell gründet auf dem Umstand, dass der Besitz der Pflanze erst illegal wird, wenn sie ihre berauschend wirkenden Blüten ausbildet. Flowery Field verkauft Stecklinge vor der Blüte als Zierpflanzen und weist die Kunden darauf hin, sie besser nicht zum Blühen zu bringen.

Für den Fall eines Fortbestands des Monopols bot Kristen der Ages an, "im Rahmen der gesetzlichen Zulässigkeit auch Cannabisblüten, Hanfsamen beziehungsweise Arzneimittel zu produzieren und zu vertreiben". Er argumentierte, dass Flowery Field auch in der Grundlagenforschung tätig sei und so mehrere Cannabinoide extrahieren und europaweit erstmals Hanf durch eine In-vitro-Methode vermehren konnte. Die Ages sagte ab. Da sie keine Tochtergesellschaft hält, sei eine derartige Beteiligung nicht möglich.

Willkürliche Preisbestimmung

Nach Kristens Ansicht kommt das dem Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinn des Kartellgesetzes gleich. Marktbeherrschend, so das Gesetz, ist ein Unternehmer, "der als Anbieter oder Nachfrager keinem oder nur unwesentlichem Wettbewerb ausgesetzt ist". Die Ages sei zweifellos in der Lage, "einen Wettbewerb auf dem Markt des Cannabisanbaus für die Herstellung von Arzneimitteln zu verhindern", heißt es in einer an die Bundeswettbewerbsbehörde übermittelten Beschwerde. Denn sie verweigere eine Beteiligung an ihrem Unternehmen und lasse dadurch keine Mitbewerber in den Markt eintreten. Die Ages könne frei von Konkurrenz die Mengen und den Preis der angebauten Cannabispflanzen bestimmen. Das verstoße sogar gegen das öffentliche Interesse an entsprechender medizinischer Versorgung.

Also beantragte Kristen die Prüfung der SMG-Paragrafen vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH), "da gravierende Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des darin gesetzlich festgelegten 'Vorrechts'" der Ages bestehen. In dem Individualantrag beim VfGH begehrt die Flowery Field GmbH, die Bestimmungen in Paragraf 6 Absatz 2 und Paragraf 6a SMG, die die mutmaßliche Monopolstellung manifestieren, wegen Verfassungswidrigkeit zur Gänze aufzuheben. Die angefochtenen Regelungen würden einen unverhältnismäßigen Eingriff in das im Staatsgrundgesetz gewährleistete Grundrecht auf Erwerbsfreiheit darstellen und auch die in der Europäischen Grundrechtecharta geregelte Eigentums- und unternehmerische Freiheit einschränken.

Gleichzeitig mit dem Individualantrag wurde ein Ansuchen eingebracht, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage der Vereinbarkeit mit der Europäischen Grundrechtecharta einzuholen.

Äxte, Hämmer und Atomreaktoren

In bisherigen Gesetzesmaterialien wurde das Primat der Ages vor allem mit dem sonst zu erwartenden Missbrauch von Cannabis gerechtfertigt. Aber jemand, der "rechtswidrig Cannabis anpflanzen will, wird sich durch das Monopol der Ages zur Produktion von Medizinalcannabis wohl nicht abschrecken lassen", meint Kristen. Bestehende Bestimmungen würden den Missbrauch ohnehin schon unter Strafe stellen.

Eine zusätzliche, "überschießende" Monopolregelung für ein staatliches Unternehmen berühre die Frage des Suchtmittelmissbrauchs in keiner Weise, versucht Kristen anhand einer Analogie zu erklären: "So ließe sich etwa das Missbrauchspotenzial einer Axt oder eines Hammers als Tatwaffe für ein Gewaltverbrechen wohl auch nicht dadurch verringern, ein gesetzliches Monopol zur Produktion dieser Werkzeuge zu verankern."

Auch Sprengmittel und Schusswaffen dürfen unter staatlicher Aufsicht produziert werden, heißt es weiter, und "wenn selbst Atomreaktoren (als Forschungsreaktor zum Beispiel in Seibersdorf) in Österreich privat betrieben werden dürfen, ist nicht einzusehen, weshalb der Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken Privaten nicht einmal unter behördlicher Kontrolle beziehungsweise Aufsicht erlaubt wird".

Vergabebasis in Deutschland begutachtet

Kristen wünscht sich vielmehr einen gesetzlichen Rahmen, wie er derzeit in Deutschland in Begutachtung ist: Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte soll dort die Rolle eines staatlichen "Cannabishändlers" übernehmen und nach den Regeln des Vergabe- und Wettbewerbsrechts zivilrechtliche Verträge über Lieferaufträge abschließen. Als Anbauer kommen landwirtschaftliche Betriebe und andere Unternehmen infrage, die die gesetzlichen Vorgaben und die Bereitschaft zu laufenden Prüfungen erfüllen. (Michael Matzenberger, 11.3.2016)