Während die vereinbarte Waffenruhe "on the ground" einigermaßen hielt, bereitete sich Uno-Sonderverhandler Staffan de Mistura (re.) am Wochenende mit seinem Stab auf diplomatische Gespräche in Genf vor. Diese sollen am 7. März beginnen.

Foto: APA/AFP/Ferre

Damaskus/Amman – Der erste Tag nach Inkrafttreten der "Einstellung der Feindseligkeiten" in Syrien – der Samstag – ist wahrscheinlich besser gelaufen, als es die meisten Beobachter erwartet hatten. Auf Facebook "beschwerten" sich Damaszener mit ihrem sarkastischen Humor, dass sie nicht schlafen hätten können, denn es sei zu leise gewesen.

Untertags fanden die Leute zu einer lange vermissten Normalität auf den Straßen zurück. Aber der Ablauf dieses ersten Tages sagt zweierlei nicht aus: dass es überall ruhig war und dass damit die nächsten Tage oder gar die Zeit über die vereinbarten zwei Wochen hinaus gesichert sind.

Russland hat eine "Versöhnungszentrum" genannte Beobachtungsstelle im Luftwaffenstützpunkt Khmeimim nahe Latakia eingerichtet, die USA verfolgen vom jordanischen Amman aus die Situation. Moskau kündigte an, Drohnen zur Überwachung einsetzen zu wollen. Die russisch-amerikanische Vereinbarung über die Feuerpause, die sich im besten Fall zu einem echten Waffenstillstand weiterentwickeln soll, sieht auch eine "Hotline" zwischen Russen und Amerikanern vor.

Aber die Mechanismen für eine Überwachung, Koordinierung oder gar Schlichtung scheinen, passend zum vorige Woche rasch ausgehandelten Abkommen, unausgegoren. Ob sie einer großen Belastung standhalten, bleibt zu sehen.

Gegenseitige Beschuldigungen

Es ist auch das Erwartbare eingetroffen insofern, als Russland, das das Regime von Bashar al-Assad unterstützt, und die kämpfenden Rebellen einander des Bruchs der Waffenruhe beschuldigen. Aus Khmeimim meldeten die Russen am Sonntag zu Mittag, dass es in den vergangenen 24 Stunden neun Verletzungen gegeben habe. Die Rebellen meldeten, russische Kampfjets hätten sechs Orte in der Provinz Aleppo bombardiert.

Aber auch die regimekritische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London schien am Sonntag der Ansicht zuzuneigen, dass sich dort die Nusra-Front aufhalte, die ja, wie auch der "Islamische Staat" (IS), vom Waffenstillstand explizit ausgenommen ist.

Das bleibt der größte Stolperstein: Das von der Nusra-Front gehaltene Gebiet ist von jenem der anderen Rebellen nicht sauber zu trennen. Besonders betrifft das die – umstrittene, weil eindeutig islamistische – Ahrar al-Sham, deren Führung sich zwar zur Waffenruhe bekannte, bei der jedoch interner Dissens deutlich wurde.

So sagte einer der Kommandanten, man werde jene, mit denen man gekämpft habe, nicht einfach aufgeben. Damit ist eindeutig die Nusra-Front gemeint. Beobachter meinen, dass es zu Spaltungen innerhalb von Rebellengruppen kommen könnte, sobald die Kämpfe zwischen Nusra-Front und dem von Russen, Iranern und der libanesischen Hisbollah unterstützten Regime wieder voll aufgenommen werden.

Die komplizierte Arbeit daran, welche Gebiete in Syrien nun "grün" seien – also von Rebellen kontrolliert, die sich der Waffenruhe angeschlossen haben – ist noch nicht abgeschlossen. Die Russen haben den Amerikanern Listen mit tausenden Kämpfern und 74 bewohnten Zentren übermittelt, die nicht bombardiert werden dürfen.

Kritischer Märzbeginn

Insgesamt überwog am Wochenende jedoch ein vorsichtiger Optimismus. Die nächsten Tage werden kritisch sein – und da am 7. März auch die Syrien-Diplomatie in Genf wieder aufgenommen werden soll, ist mit vermehrten Versuchen zu rechnen, die relative Ruhe zu torpedieren.

Auch eine andere Front bleibt unklar: Russland behauptete am Sonntag – und informierte die USA in diesem Sinne -, die Türkei habe nach der Waffenruhe weiter Tal Abyad an der syrisch-kurdischen Grenze bombardiert. Die Stadt wurde von den syrisch-kurdischen YPG, den Milizen der Kurdenpartei PYD, und ihren Verbündeten dem "Islamischen Staat" abgenommen und wird nun gehalten: ein wichtiger Sieg, denn er unterbricht die Route des IS zwischen Raqqa und Mossul, seiner syrischen und seiner irakischen "Hauptstadt".

Im Irak versuchte der IS am Wochenende einen mit mehreren Selbstmordattacken eingeleiteten Vorstoß nach Abu Ghraib vor den Toren Bagdads, er wurde aber von irakischen Sicherheitskräften zurückgeschlagen. (Gudrun Harrer, 28.2.2016)