Plakate der rechtspopulistischen SVP.

Foto: APA/AFP/FABRICE COFFRINI
  • 59 Prozent der Wähler lehnen SVP-Durchsetzungsinitiative am Sonntag ab
  • Politologe: Initiativgegner konnten Wähler mobilisieren
  • Hohe Wahlbeteiligung

Zürich – Die Schweizer haben am Sonntag schärfere Bestimmungen zur Ausweisung straffälliger Ausländer abgelehnt. Einer Hochrechnung des Fernsehens zufolge lehnten gut 59 Prozent der Wähler die sogenannte Durchsetzungsinitiative der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) ab. Es ist eine herbe Niederlage für die Partei um ihren Vordenker Christoph Blocher, die immer wieder mit Ausländerthemen punkten konnte.

Entscheidend zum Nein beigetragen hat laut dem Politologen Claude Longchamp, dass die Gegner der Initiative die Wähler im großen Stil mobilisieren konnten. "Man hat gesehen, dass die Mobilisierung insbesondere in den großen Städten exemplarisch hoch ist", sagte der Leiter des Forschungsinstituts GFS Bern. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 62 Prozent den vierthöchsten Wert bei Volksbefragungen in der Schweiz. In manchen Regionen betrug die Wahlbeteiligung um die 70 Prozent.

"Ausschaffungsinitiative"

Mit ihrem Vorschlag wollte die SVP die Ausweisung von Ausländern erzwingen, die gegen Gesetze verstoßen haben. Weil die Partei mit der Umsetzung ihrer 2010 von der Bevölkerung angenommenen "Ausschaffungsinitiative" unzufrieden war, wollte sie einen mehr als 50 Delikte umfassenden Katalog in der Verfassung verankern lassen, um einen absoluten Ausweisungsmechanismus zu schaffen. Nicht nur eine Verurteilung wegen Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und Einbruch, sondern auch leichtere Delikte wie wiederholte Geschwindigkeitsübertretungen sollten automatisch zu einem Landesverweis führen – ohne Einspruchsmöglichkeit.

Gegen die Pläne der mit 29,4 Prozent Wähleranteil stärksten Partei formierte sich breiter Widerstand. Die wirtschaftsfreundliche FDP und die Sozialdemokraten stellten sich ebenso dagegen wie Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft. Befürchtet wurde, dass bei einem Ja der Ruf der Schweiz als Wirtschaftsstandort wie schon nach dem Einwanderungsvotum schweren Schaden nimmt. "Die Zivilgesellschaft ist erwacht und hat klargemacht, dass sie Rechtsstaat, Minderheitenschutz und Menschlichkeit über Fremdenfeindlichkeit und den totalitären Machtanspruch einer einzelnen Partei stellt", sagte Christian Levrat, Präsident der Sozialdemokraten.

Zustimmung zu Gotthard-Tunnel

Ebenfalls abgelehnt haben die Wähler am Sonntag ein von der Jugendorganisation der Sozialdemokraten angestrebtes Spekulationsverbot für Nahrungsmittel. Hingegen hieß die Bevölkerung die Pläne der Regierung für eine zweite Tunnelröhre durch den Alpenpass Gotthard in den Süden der Schweiz gut. (Reuters, 28.2.2016)