Als Sozialskulptur, als Kritik an der gedankenlosen Wegwerfgesellschaft, an Gigantomanie und Achtlosigkeit, können Pauline Marcelles Arbeiten mit Textilien interpretiert werden.


Aufschlagseite aus Pauline Marcelles "bend down boutique", fotografiert von Lukas Friesenbilcher

Der Tod des einen ist die Chance auf einen Neubeginn", besagt ein altes Sprichwort. Dass einer derart simplen Weisheit naturgemäß auch mehr als nur ein Körnchen Wahrheit innewohnen kann, beweisen die Arbeiten der indischen Künstlerin Pauline Marcelle.

Ausgangspunkt ihrer Werke sind Dinge, deren Leben beendet ist. Marcelle dokumentiert den Tod alltäglicher Dinge und revitalisiert sie durch die Nutzung als Werkstoff. Wesentlichen Anteil an ihren Werken – gleichgültig, ob das Gemälde aus Öl, Installationen, Skulpturen oder verfremdete, überlagerte Fotos sind – haben alte, gebrauchte und weggeworfene Kleidungsstücke. Vor Jahren wurde sie aufmerksam, dass an vielen Küsten, zahlreichen Strandabschnitten des afrikanischen Kontinents Unmengen von Kleidungsstücken angespült werden.

Sie werden zu Ballen, zu Netzen, sie ergeben ganz eigenwillige und exzentrische Formen. Fast farblos sind diese Monster, da die Einzelteile oft monatelange Odysseen auf den Weltmeeren verbringen, bevor sie an Land gehen und von diesem Besitz ergreifen. Marcelle dokumentiert den Weg des achtlos Weggeworfenen, sie flicht daraus Skulpturen und bildet daraus neue Optiken. Oft monochrom überlagert mit Farbschichten, manchmal Figuren bildend, manchmal Szenen darstellend.

Gemein ist allen Werken die lautlose Mahnung an unsere Wegwerfgesellschaft, nachzudenken, Handeln und Leben zu hinterfragen. Die Verschmutzung der Meere, der Länder wie auch der Seelen schreitet voran, teilt uns jedes einzelne Bild mit. Sie legt die Finger auf die Wunde, revitalisiert, signalisiert aber gleichzeitig Hoffnung. Carpe diem! (Gregor Auenhammer, Album, 27.2.2016)