Es hört sich wie ein Gschichtl an: Im Jahr 1938 hat der junge Chemiestudent Franz Greiter eine Bergtour auf den Piz Buin in der Silvretta unternommen. Es kam, wie es kommen musste: Greiter fasste einen schweren Sonnenbrand aus. Im kleinen Labor zu Hause begann der Jungchemiker daraufhin, mit einem Produkt für den Sonnenschutz zu experimentieren. Die Marke Piz Buin war geboren und wurde später weltberühmt. Und selbst wenn an dieser Legende nicht alles wahr sein sollte – auch egal. Dann ist es wenigstens eine schöne Geschichte.

Die Sonnenmilch machte den gleichnamigen, 3.312 Meter hohen Grenzgipfel zwischen Vorarlberg und der Schweiz in der Silvretta ebenfalls weltweit bekannt. Mit den Jamspitzen und der Dreiländerspitze – hier stoßen die Schweiz, Vorarlberg und Tirol zusammen – gehört der Piz Buin sommers wie winters zu den bergsteigerisch beliebtesten Hochtouren im Ostalpenraum. Echte Renommiergipfel, auch wenn der Buin gar nicht der höchste in der Silvretta ist. Das ist der in Österreich eher unbekannte Piz Linard in den Rätischen Alpen.

Ausgangspunkt ist der Ort Guarda im Unterengadin.
Foto: Thomas Neuhold

Die meisten Gipfelaspiranten für Buin und Co wählen die Wiesbadener- oder die Jamtalhütte im Norden der Silvretta als Ausgangspunkt. Von dort ist es auch schön, aber wer nicht unbedingt auf Massenbetrieb mit nachfolgendem langen Gletscherhatscher steht, wählt die ruhigere Südseite. Vor allem in der Skitourensaison, da diese skifahrerisch weit spektakulärere Hänge – bis hin zur berühmten Buin-Rinne – bietet.

Schweizer Stützpunkt

Mit der Chamonna Tuoi, wie die Tuoi-Hütte des Schweizer Alpenclubs rätoromanisch heißt, gibt es hier einen feinen Stützpunkt. Einziger echter Wermutstropfen: Man befindet sich auf Schweizer Boden, entsprechend sind die Preise – auch auf 2.350 Meter Seehöhe.

Der Zustieg ist fast ein Spaziergang. Gemütlich folgt man vom kleinen Bergdorf Guarda den Wegweisern auf der Hüttenstraße hinauf bis zu den ersten Schneeflecken und dann auf Skiern weiter den Frühling hinter sich lassend ins Hochgebirge.

Die Chamonna Tuoi, die Tuoi Hütte des Schweizer Alpenclubs.
Foto: Thomas Neuhold

Ein kurzer Spaziergang durch das Dörfchen Guarda muss aber vor oder nach den Tourentagen auf jeden Fall drinnen sein. Guarda gehört zu den am besten erhaltenen Engadiner Bergdörfern. Jedes einzelne der alten Häuser ist ein kleines Juwel geblieben. Auch weil die Leute die Touristen-Pkws aus dem Ort verbannt haben. Geparkt wird knapp unterhalb. Hier wird übrigens auch kassiert – man sollte Frankenmünzen in ausreichender Menge mitnehmen.

Drei Pflichtgipfel

Mit Buin, den Jamspitzen und der Dreiländerspitze stehen im Einzugsbereich der Chamonna Tuoi drei prominente Gipfelziele zur Auswahl. Der technisch leichteste Anstieg führt nach Nordosten über das Plan Furcletta auf die beiden Jamspitzen. Hier merkt man den Klimawandel. Die ehemalige Direktroute in das Jamjoch (3.078 m) gibt es nicht mehr, der Gletscher ist weit zurückgegangen, eine hohe Felswand versperrt den Weg. Jetzt muss man um die Hintere Jamspitze herum und gelangt von der Ostseite ins Jamjoch.

Der Gipfelgrat der Dreiländerspitze ist eine ziemlich luftige Sache.
Foto: Thomas Neuhold

Anspruchsvoller ist die Dreiländerspitze. Nach einem gemütlichen Anstieg in den Vermuntpass und einer langen Passage um den Westgrat des Berges herum wartet zum Schluss ein ziemlich ausgesetzter, mit zahlreichen Bohrhaken gesicherter Gipfelgrat. Hier dürfen nur noch absolute Profis seilfrei unterwegs sein.

Der meiste Stress entsteht aber oft nicht wegen der alpinistischen Anforderung, sondern weil von Norden viele geführte Gruppen den Gipfel ansteuern und die fallweise ziemlich überforderten Gäste einen dem Großglockner durchaus ähnlichen Stau im Gipfelbereich verursachen.

Der Piz Buin ist die dominierende Berggestalt über der Tuoi-Hütte.
Foto: Thomas Neuhold

Stau-Ereignisse gibt es hin und wieder auch auf dem Piz Buin beim kaminartigen Anstieg – je nach Bedingungen bis zum II. Grad – zum Gipfel immer wieder. Die Route von der Tuoi-Hütte ist ziemlich lang. Sie führt direkt nach Westen über das Plan Rai zur Mittagsplatte hinauf und holt dann in weitem Bogen nach Norden über die Fuorcla dal Cunfin bis zu Buin-Lücke aus. Nach dem Skidepot geht's mit Pickel und Steigeisen bewehrt auf den Gipfel hinauf.

Sehr gute Skifahrer werden bei sicheren Bedingungen von der Buin-Lücke nicht mehr der Anstiegsspur retour folgen, sondern sich direkt die rund 45 Grad steile Buin-Rinne nach Süden hinabstürzen. Hauptangstfaktor ist hier die Einfahrt über eine oft meterhohe Wechte.

Das Tourenzuckerl

Die Draufgabe, sozusagen das Dessert nach dem Hauptmenü Piz Buin, Jamspitzen und Dreiländerspitze, steht unmittelbar vor der Haustüre der Tuoi-Hütte. Der Piz Fliana ist 3.281 Meter hoch und bietet die skifahrerisch schönste Skitour aus dem Tuoi-Tal.

Steiler Anstieg auf den Piz Fliana.
Foto: Thomas Neuhold

Die Route führt wie auf den Piz Buin anfangs auf das Plan Rei, ehe es direkt nach Süden eine steile Rinne hinaufgeht. Am etwa 3.150 Meter hohen Sattel heißt es, ein Skidepot anlegen, denn die verbliebenen einhundert Höhenmeter müssen meist zu Fuß zurückgelegt werden.

Neben der Abfahrt entlang der Aufstiegsspur gibt es auch die Möglichkeit, nach Westen hin zum Sattel bei der Mittagsplatte abzufahren. Das ist freilich nichts für schwache Nerven, heißt es doch, fast einen Kilometer lang oberhalb eines Hängegletschers zu queren. Stürzen verboten! (Thomas Neuhold, 26.2.2016)