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Flüchtlingskinder waten im serbischen Ort Adaševci nahe der Grenze zu Kroatien durch Lacken.

Foto: AP Photo / Darko Vojinovic

Wien/Sarajevo – Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd des vom Nochbarn an! Frei nach diesem Motto wollen die betroffenen Staaten auf der Balkanroute – allen voran die drei EU-Staaten Österreich, Slowenien und Kroatien, die Verantwortung für die Flüchtlinge und Migranten wieder auf Griechenland abschieben und die Balkanroute schließen.

Dies wird auch aus der Erklärung ersichtlich, die am Mittwoch in Wien beim Balkanrouten-Gipfel vereinbart wurde. Man will die Dublin-Regelung durch die Hintertür wieder einführen. Die entscheidenden Hinweise darauf liefert der 21-Punkte-Plan, der von den Außen- und Innenministern der drei EU-Staaten und der sechs Balkanstaaten Serbien, Mazedonien, Kosovo, Albanien, Montenegro und Bosnien-Herzegowina verfasst wurde.

Schengen-Grenzcode

In Punkt 4 heißt es etwa, dass sich Asylwerber nicht aussuchen können, in welchem Land sie um Schutz ansuchen und in welches sie weiterreisen dürfen. In Punkt 8 wird man noch etwas konkreter: "Wir müssen zu einer Situation zurückkehren, wo alle Schengen-Mitglieder voll den Schengen-Grenzcode umsetzen und an ihren Außengrenzen die Drittstaatsangehörigen zurückweisen, die die Eintrittsbedingungen nicht erfüllen und die keinen Asylantrag gestellt haben, obwohl sie die Möglichkeit dazu hatten."

Zum Status-quo-ante zurück

Praktisch heißt das, dass alle auf den griechischen Inseln ansuchen müssen oder von dort zurück in die Türkei geschickt werden sollen. "Offensichtlich will man zum Status quo ante zurück", erklärt der EU- und Südosteuropa-Experte Tobias Flessenkemper. "Allerdings lässt man dabei völlig außer Acht, dass das in der jetzigen Situation kaum realisierbar ist, weil Griechenland dazu nicht in der Lage und willens ist. Wie sollen dort tausende Menschen täglich einen Antrag stellen, zumal ihr Verbleib unklar ist?"

Die Realität wird dem Ansinnen der Wiener Konferenz nicht gerecht. "Das Dublin-Verfahren hat gewirkt, solange alle, auch Flüchtlinge, daran geglaubt haben – dieser Glaube ist weg, ihn in alter Form wieder zu beleben wäre ein Wunder", so Flessenkemper.

Zudem funktionieren die Rückübernahmeabkommen zwischen Griechenland und der Türkei nicht. Flessenkemper weist auch darauf hin, dass das Grundansinnen dem Punkt 3 widerspricht, in dem sinngemäß gesagt wird, dass kein Land überfordert werden dürfe.

Nicht nur rechtlich, sondern auch in seiner politischen Willkürhaltung äußerst bedenklich sind die Punkte 6 und 9. In Ersterem heißt es, dass sich Migranten und Asylwerber an die Regeln der Nationalstaaten und der EU halten müssten und dass andernfalls ihre Rechte ausgesetzt würden. Das Prinzip "Nichteinhaltung – keine Rechte" soll eingeführt werden. "Grundrechte kann man nicht einschränken, es geht darum, Menschen in ein Migrations-Management-Konzept zu drücken, da man sonst keine Lösung sieht", so Flessenkemper.

Im Punkt 9 steht, dass Leute ohne Reisedokumente nicht reingelassen werden. "Dies ist schwer mit den historischen Erfahrungen zu vereinbaren", so Flessenkemper. "Genau dies ist vielen widerfahren, die vor den Nazis und Stalin fliehen mussten, nur mit gefälschten Papieren sind viele erst der Verfolgung entronnen. Das muss man differenziert betrachten. Das erfordert die historische und humanitäre Pflicht der EU."

Rechtsbruch wird steigen

Eingeräumt wird zumindest, dass durch die Maßnahmen der Menschenschmuggel, also "der Rechtsbruch steigen wird", so der Politologe. Erst in Punkt 15 wird die Kooperation mit Griechenland erwähnt – also ziemlich spät, wenn man die Hand reichen will. (Adelheid Wölfl, 25.2.2016)