Graz – Plötzlich wird es still im großen Grazer Schwurgerichtssaal. Der zumeist hinter einem Bildschirm verborgene beisitzende Richter erhebt sich und seine Stimme.

Dem sonst sehr umsichtigen Richter war der Kragen geplatzt, nachdem der Verteidiger des angeklagten radikalen Predigers die Richter und den Staatsanwalt geziehen hatte, im Gerichtssaal bewusst eine "düstere Atmosphäre" mit "grauslichen Geschichten" zu schaffen, um damit die Geschworenen zu beeinflussen.

"Ja, es ist beklemmend hier", sagt der Richter. Wenn "nur im Ansatz stimmt", was wir hier von all den Gräueltaten bis hin zum "Kopfabschneiden" zu hören und sehen sei, "ist es das Schlimmste, was ich je erlebt habe. Da sitzen vermummte Polizisten vor mir ... aus Sicherheitsgründen." Dann schweigt er wieder, und kurz macht sich – auch auf der Verteidigerbank – Betroffenheit breit.

Heftiger Disput mit Angeklagten

Aber gleich darauf entzündet sich abermals ein heftiger Disput zwischen der Verteidigung und dem Richtertisch. Der Gerichtsgutachter in Sachen Islamismus hatte unzählige bei Razzien sichergestellte Film- und Tondokumente von Predigten des 34-jährigen gebürtigen Serben analysiert, der vor seiner Inhaftierung in Wien als Religionslehrer arbeitete. Er kommt in seiner Expertise zu dem Schluss, dass das Film- und Tonmaterial den Angeklagten eindeutig als Jihadisten ausweise. Der Angeklagte werbe "für den bewaffneten Kampf", ohne aber dabei eine bestimmte Organisation zu unterstützen.

Dem radikalen Prediger wird ja vorgeworfen, mit seinen Vorträgen junge Muslime angestiftet und ermuntert zu haben, nach Syrien in den Jihad zu ziehen.

Die Demokratie sei für ihn so etwas wie ein "Götze, der abgelehnt wird, da hier Menschen das Gesetz machen, und das darf nur Gott. Jeder, der das befürwortet, ist ein Ungläubiger", der bekämpft werden müsse, sagt der Gutachter.

Kampfsport

Der Verteidiger entgegnet, sein Mandant habe niemals jemanden aufgefordert zu kämpfen, das lasse sich mit keiner einzige Zeile in den Ton- und Filmdokumenten beweisen. Er beantragt, dass das ganze Filmmaterial, rund 300 Stunden, im Saal vorgeführt wird. Der Richter reagiert mit dem Abspielen einer Filmpassage, in der der Angeklagte predigt, dass sich Muslime auf den Kampf vorbereiten, Schießübungen und Kampfsport machen sollten.

Der Prediger will diese Vorhalte religionsphilosophisch interpretieren, es sei alles nur allgemein theoretisch gemeint und nur auf arabische Staaten bezogen. Dort sei es legitim, gegen die Tyrannen zu kämpfen.

Der Angeklagte ist nicht greifbar. Immer, wenn ihn die Richter bei klaren Aussagen festhalten wollen, flutscht er wieder weg in Sphären islamischer Religionsinterpretationen. Die Richter sind genervt. Am Donnerstag wird ein Kronzeuge aussagen.

Zeuge wurde verhaftet

Am späteren Nachmittag wurden schließlich noch einige Zeugen einvernommen, die Probleme mit ihren Erinnerungen aufwiesen. Ein Zeuge, dem im Zuge seiner Einvernahme vor dem Richter Falschaussage und Begünstigung vorgeworfen wurden, wurde festgenommen. Er ist einschlägig vorbestraft. Auch einem zweiten Zeugen drohte der Staatsanwalt eine Verhaftung wegen falscher Aussage und Verleumdung an. Er hatte in den Raum gestellt, ein Polizeibeamter habe womöglich seine Aussage manipuliert. Nach einer Schrecksekunde räumte der Zeuge ein: "Mein Fehler". (Walter Müller, 24.2.2016)