Selbst wenn die Umsetzung des US-russischen Plans bis dahin völlig glattginge, sollte niemand erwarten, dass Samstag Schlag Mitternacht in Syrien die Waffen schweigen werden: Die "Einstellung der Feindseligkeiten" – also kein Waffenstillstand – ist provisorisch, gilt nicht überall, und auch nicht alle, die sich vorher dazu bekennen, werden sich daran halten. Die Abmachungen sind vage, Umsetzungsmechanismen fehlen beinahe völlig, das Verhältnis der Sponsoren des Plans, USA und Russland, ist prekär. Und dennoch ist diese(r Versuch einer) Waffenruhe bedeutend: Das Mantra, dass es für Syrien keine militärische Lösung gebe, mündet in konkrete Schritte am Boden.

Die allerorten bekundete Skepsis ist angebracht. Russland scheint optimistischer als die USA zu sein – und diese wiederum optimistischer als ihre europäischen Partner. Alles hängt von der russischen Bereitschaft ab, in ein paar Tagen den Luftkampf in Assads Namen gegen die Rebellen einzustellen. Tatsache ist, dass sich Moskau in der gemeinsamen Erklärung mit Washington quasi selbst die "Bestimmungen" anordnet: Die dort formulierten Verpflichtungen richten sich nicht nur an die Streitkräfte der Arabischen Republik Syrien, sondern auch an "alle Kräfte, die sie unterstützen oder mit ihnen verbunden sind". Na denn.

Ausgenommen ist der Kampf gegen den "Islamischen Staat" (IS) und die Nusra-Front. Nun muss das Territorium bestimmt werden, das diese Gruppen kontrollieren, denn dort darf weiter angegriffen werden. Das ist im Fall des IS um einiges leichter als in dem der Nusra, die immer wieder mit anderen Rebellengruppen zusammenarbeitet. Hier überlappen sich die Fronten.

Die Russen haben darauf verzichtet, Gruppen, die sie – und das Assad-Regime – als Terroristen klassifizieren, in die Liste der weiter zu Bekämpfenden aufzunehmen. Aber diese müssen sich bis Freitag entscheiden, ob sie bei der Waffenruhe mitmachen. Auch die USA stellten klar, dass sich die Gruppen (vor allem geht es um Ahrar al-Sham und Jeish al-Islam) andernfalls ins Abseits stellen würden. Das heißt, sie entscheiden jetzt zwischen dem bewaffneten Kampf und einem Platz am Verhandlungstisch.

Auch Bashar al-Assad hat akzeptiert: Er ist von Russland abhängig, das auch versucht, den Iran an Bord zu bekommen. Dass Assad Parlamentswahlen für den 13. April ansetzt – was dem Wiener Fahrplan für einen politischen Prozess, der im Dezember in eine Uno-Sicherheitsratsresolution gegossen wurde, diametral entgegenläuft -, wird Moskau gar nicht gefallen. Aber bis April wird man auch wissen, ob der amerikanisch-russische Plan abhebt: Wenn ja, wird Assad die Wahlen wohl "verschieben".

Auch die Türkei sagt Ja, kann auch nichts anderes tun: Ankara wird jedoch schwer an der Kröte schlucken, dass es, wenn nun die Fronten in Syrien eingefroren werden, den Geländegewinn der syrischen Kurden akzeptieren muss. Die Türken wissen auch ganz genau, dass die amerikanisch-russische Einigung nicht zuletzt eine Vorkehrung gegen eine türkische Intervention in Syrien, womöglich mit Saudi-Arabien im Schlepptau, ist. Alle türkischen und saudischen Beteuerungen, man würde das ohnehin nur unter dem Dach der US-Allianz machen, haben Washington nicht überzeugt. Die Gefahr einer direkten türkisch-russischen oder saudisch-russischen Konfrontation, bei der die USA Partei ergreifen müssten, war zu groß. (Gudrun Harrer, 23.2.2016)