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Nicht nur in der City of London mit ihren vielen Wolkenkratzern wird heftig diskutiert, welche Folgen ein Austritt Großbritanniens aus der EU haben würde, dort aber besonders.

Foto: Reuters / Toby Melville

Nachdem sich der Pulverdampf des ersten politischen Schlagabtauschs verzogen hat, konzentriert sich die Debatte über Großbritanniens Austritt aus der EU (Brexit) auf dessen wirtschaftliche Konsequenzen. An die 200 Wirtschaftsführer, darunter ein Drittel der größten börsennotierten Unternehmen, stellten sich am Dienstag hinter Premier David Cameron: Nach dessen Verhandlungserfolg vergangene Woche sei die Insel "in einer reformierten EU besser dran".

Zu den Unterzeichnern gehören die Leiter großer Banken wie HSBC, Credit Suisse und Standard Chartered, Pharmagiganten wie Glaxo Smith Kline und AstraZeneca sowie Energiekonzerne wie BP und Shell. Zusammen beschäftigen die Unternehmen 1,2 Millionen auf der Insel. "Die Wirtschaft braucht unbeschränkten Zugang zum Binnenmarkt mit 500 Millionen Menschen", heißt es in dem Schreiben an die "Times". Der Brexit hätte negative Folgen, orakeln die Manager: "Er würde Investoren abschrecken, Arbeitsplätze gefährden und die Wirtschaft Gefahren aussetzen."

Pfund zeigt Schwäche

Das Schreiben hatte Roland Rudd vom Lobbyverband Business for New Europe organisiert, ein enger Vertrauter des früheren EU-Kommissars Peter Mandelson und Bruder der Energieministerin Amber Rudd. Brexit-Lobbyisten wiesen hämisch auf das Fehlen großer Einzelhändler wie Tesco und Sainsbury's sowie Banken wie Barclays und Royal Bank of Scotland hin, jammerten aber gleichzeitig über angeblichen Druck aus der Downing Street, dem Sitz des Regierungschefs. Es sei enttäuschend, sagte ein Sprecher der Austrittsbefürworter von Vote Leave, "dass der Premierminister den Leuten Angst einjagen will".

Steigende Quoten für Austritt

Furcht hatte am Montag die Aussicht auf den Brexit in der City of London, dem größten Finanzplatz der Welt, verbreitet. Nachdem sich der konservative Londoner Bürgermeister Boris Johnson gegen seinen Parteichef Cameron positioniert hatte, gab das Pfund um zeitweise mehr als zwei Prozent nach und erreichte gegenüber dem Dollar einen Siebenjahrestiefstand.

Der Verfall ging auch am Dienstag weiter. "Alle glauben jetzt, dass es viel knapper wird als bisher gedacht", erläuterte Richard Wiltshire vom Devisenhändler Etx Capital. Bei den Buchmachern hat sich die Wahrscheinlichkeit eines Neins beim Referendum am 23. Juni von 29 auf 33 Prozent vergrößert.

Schottland lässt grüßen

Der Pfundkurs gilt als wichtiger Indikator für die Bewertung der weltweit fünftgrößten Volkswirtschaft auf den internationalen Märkten. Als eine Umfrage zehn Tage vor dem Schottland-Referendum im September 2014 die Spaltung des Vereinigten Königreichs suggerierte, sackte die Währung ebenfalls massiv ab.

Firmenvertreter und Lobbyisten in der City halten die EU-Mitgliedschaft mehrheitlich für alternativlos, obwohl einzelne Hedgefonds-Manager lautstark für den Brexit trommeln. "Zu unserer Mitgliedschaft gibt es keine befriedigende Alternative", sagte Mark Boleat, der im traditionsreichen Verwaltungsbezirk City of London für den Kontakt zur Politik zuständig ist. (Sebastian Borger aus London, 24.2.2016)